Giftschatten
Pallions Schwert.
»Quinda!«
Etwas von der Kraft seines neuen Lebens musste in seinem Ruf gelegen haben. Sie hielt tatsächlich inne und wandte sich um.
Niemand würde ihm nehmen, was er so mühsam errungen hatte! Niemand! Quinda hatte ihn nie verstanden, würde es auch nie, würde ihn immer klein halten, in der Mittelmäßigkeit. Weil sie selbst mittelmäßig war. Kein Streben nach Höherem in sich fühlte.
Sie war alles, was er an seinem bisherigen Leben verachtete.
Mit ungeahnter Wucht rammte er das Schwert durch ihren Bauch.
Sie war sofort tot. Wie eine kraftlose Puppe sackte sie zusammen. Ihr Gewicht entriss ihm den Schwertgriff.
»Mama!«, schrie Ajina und eilte zu ihr.
Ein ungleicher Schrei antwortete dem des Kindes. Es war ein gequältes Heulen, wie kein Mensch es ausstoßen konnte. Ein Laut, der die Knochen zum Vibrieren brachte. Ajina blieb stehen, als hätte jemand ihr Gewand gepackt.
Aus dem Durchgang, in dem erst Baron Gadior und dann seine Verfolger verschwunden waren, schimmerte ein blaues Leuchten. Ein kalter Windhauch wehte in Modranels Gesicht. Offensichtlich hatte sich der Osadro nicht allein auf seine Ghoule verlassen.
Modranel sah auf die Leiche seiner Frau, die im Kerzenschein lag, als hätte jemand den Leuchter herangebracht, um mit anklagender Helligkeit die Blutlache zu zeigen, die sich um den seltsam verdrehten Leib ausbreitete. Ajina ging langsam darauf zu. Ihre Füße staken in Stiefeln, die vor ein paar Jahren noch ihre Schwester getragen hatte. Sie setzte sie so vorsichtig, als bewege sie sich über brüchiges Eis.
Modranel hielt den Atem an, als Ajina das Händchen in das Blut drückte. Sie stand auf und streckte ihm die roten Finger entgegen. »Es ist ganz warm.«
Er sah sie an. Sie hatte seine Augen, aber ihre Locken fielen so, wie er es bei Quinda geliebt hatte. Auch die Lippen glichen denen, die er so gern geküsst hatte.
Mühsam sog er die Luft ein, als müsse er den Brustkorb gegen einen Felsen bewegen, der darauf lastete. Musste er denn wirklich alles aufgeben? Alles zurücklassen? Gab es denn nichts von Wert in seinem alten Leben?
Erst als er zwinkerte, bemerkte er die eigenen Tränen. »Diesen Preis habe ich nicht ausgehandelt«, flüsterte er. Quinda lag so schrecklich starr. Das Schwert in ihrem Bauch war monströs.
War Modranel das auch? Ein Monstrum? Wie Quinda es gesagt hatte?
Er hatte ihr doch nicht schaden wollen! Sie hatte ihm keine Wahl gelassen! Sie war es doch gewesen, die damit gedroht hatte, alles zu zerstören, wofür er lebte! Sie hätte ihn den Mondschwertern ausgeliefert. Er hatte nur sein Leben gerettet. Sein neues Leben. Dass sie dabei zu Schaden gekommen war, war ein Unfall gewesen. Ja, so war es. Ein Unfall! Er hatte es nicht geplant. Nicht gewollt!
Er nahm Ajina auf den Arm, bevor die sich ausdehnende Blutlache ihre Füße erreichte. Modranel ächzte unter dem Gewicht, das er nun zusätzlich zu dem Folianten tragen musste.
Ein verzweifelter Schrei drang über das Heulen. Krachen und Splittern lag in der Luft. Das Leuchten war heller geworden.
»Wir müssen weg!«
»Wohin?« Ajina drückte ihm die Hand an die Wange. Ihm war bewusst, dass das Blut einen Abdruck hinterließ, den er niemals gänzlich würde abwaschen können.
»Weg. Weit, weit weg.«
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