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Giftspur

Giftspur

Titel: Giftspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Holbe
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Bürofenster ab, griff seine cognacfarbene Lederjacke und suchte das obere Fach eines Schranks fieberhaft nach Wollmütze und Fäustlingen ab. Ohne Erfolg. Die alte, mit Kaninchenfell gefütterte Fliegermütze aus rissigem Wildleder war alles, was sich in der staubigen Ablage fand. Dankbar, einen Wollpullover zu tragen, rollte Elsass den dunklen Kragen auf, bis dieser an sein Kinn stieß. Ohne ein Wort der Erklärung hastete er durch den Hausflur, vorbei an seiner verwirrten Assistentin, die es sich nicht hatte nehmen lassen, heute zur Arbeit zu erscheinen. Anstelle des erwarteten Durchsuchungstrupps hatte lediglich sie am frühen Morgen auf der Matte gestanden, eine treue Seele, wie Elsass im Hinauseilen mit einem Anflug von Wehmut feststellte. Treu und doof, der ideale Nährboden für bedingungslose Loyalität. Wahrscheinlich würde sie die Unschuld ihres Chefs selbst dann noch beteuern, wenn die Beamten das Labor vor ihren Augen als Methamphetamin-Küche entlarven würden. Doch das würde nicht geschehen, denn Elsass war viel zu gerissen, als dass er seine Arbeitsstätte, wo ihm wissbegierige Mitarbeiter auf die Finger schauten, für kriminelle Aktivitäten nutzen würde.
    Die kühle Morgenluft roch angenehm frisch, als Elsass die Tür aufstieß und nach draußen eilte. Er dachte an das Gewächshaus,
sein
Gewächshaus. Sollte er es in Brand stecken?
    Nein,
entschied er, zog das Tempo seiner Schritte noch einmal an und schlug einen Haken in die entgegengesetzte Richtung, wo ein grauer, zur Hälfte verfallener Stall sich an die efeuberankte Mauer schmiegte.
     
    Weder der Besuch bei Gottfried Kayser noch der bei Moreno hatte ihnen neue Erkenntnisse gebracht, und bei Herzberg in Dortelweil öffnete niemand. Auch Gunnar Volz schien aus dem Rennen zu sein, denn die Observierung seiner Wohnung hatte keinerlei verdächtige Bewegungen aufgezeigt. Im Umkehrschluss war eine polizeiliche Beobachtung doch das beste Alibi, was man sich wünschen konnte. Entsprechend resigniert fuhren die Kommissare nun in Richtung Lohmühle.
    Sabine nutzte die Gelegenheit, um das Gespräch über Dr. Elsass wieder aufzunehmen.
    »Haben wir ihn nun observiert oder nicht?«, fragte sie.
    »
Wir
nicht«, antwortete Angersbach ausweichend.
    »Details«, forderte sie daher ungeduldig und trommelte mit den Fingerkuppen auf der Seitenverkleidung der Tür. Ein hohler Klang. Es gab weder Seitenaufprallschutz noch andere Sicherheitssysteme. Ohne wieder einen direkten Vergleich riskieren zu wollen, schien der Renault in dieser Hinsicht besser ausgestattet zu sein. Nicht optimal, aber irgendwie anders.
    »Der Gebäudekomplex ist schwer zu überschauen, das wissen Sie ja«, unterbrach Angersbach ihre abschweifenden Gedanken. »Für eine lückenlose Observierung hätte ich drei Funkstreifen anfordern müssen, eine vor jedem Tor.«
    »Darauf wäre es auch nicht mehr angekommen«, brummte Sabine.
    »Schulte hätte mir das niemals durchgehen lassen«, widersprach Angersbach. »Er hätte stattdessen die Festnahme von Elsass gefordert.«
    »Ohne Beweise keine gute Idee«, seufzte Sabine, die an Finkes denken musste. Dort hatte sich nichts getan, nicht einmal zum Einkaufen oder zu Kundenterminen waren sie gefahren. Nur einem Pizzaservice hatte Vera am späten Abend die Tür geöffnet. Dabei hatte sie in Richtung der observierenden Beamten geäugt; überheblich, wie der eine behauptete. Der andere hatte es eher als mitleidig empfunden. Jedenfalls schien es die Frau, die am Nachmittag erst auf freien Fuß gesetzt worden war, nicht weiter in Aufruhr zu versetzen, dass man ihr Haus beobachtete.
    Vorgespielte Sicherheit? Sabine war sich nicht sicher. Doch weil jede verfügbare Person für die Fahndung nach Paracelsus gebraucht wurde, hatte Schulte sich gegen weitere Überwachungsmaßnahmen ausgesprochen. Angersbachs Logik ergab also Sinn.
    »Was haben Sie folglich getan?«
    »Ich habe nahe dem Gewächshaus eine Kamera plaziert, die ihren Fokus auf den freien Platz zwischen Wohnhaus und Laborgebäude richtet.«
    Erstaunt hob Sabine die Augenbrauen. Angersbach und die Technik. Doch kein Buch mit sieben Siegeln?
    »Sie tragen eine Kamera mit sich herum?« Sie grinste schief. »Auf mich wirkten Sie bislang eher wie der Überlebensmesser-Typ.«
    »Blödsinn«, murrte er. »Ich war auf zwei Optionen eingestellt, als ich zu Elsass fuhr. Entweder ich konfrontiere ihn, und er bricht ein, oder ich wiege ihn in falscher Sicherheit und plaziere einen kleinen elektronischen

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