Giftweizen
noch einen Rat: »Fragen Sie doch mal beim Sozialwesen nach. Vielleicht haben die ja mit Altmöbeln oder einem Kühlschrank geholfen und wissen schon mehr über die Unterkunft der zwei.«
Lisa bedankte sich, legte auf und versuchte es gleich mit dem empfohlenen Anruf.
Die Sozialbetreuerin war fraglos gar nicht gut auf die beiden Entlassenen zu sprechen: »Überhebliche Kerle! Hatten eine ganze Wunschliste mit. Die wurden richtig sauer, als ich ihnen klargemacht habe, dass sie von mir nur das Lebensnotwendigste bekommen und es dann mal mit Arbeit versuchen sollten. Da haben sie mich ausgelacht und gemeint, dass sie das nicht nötig hätten.«
Das fand Lisa hochinteressant. Welche Geldquellen wollten die beiden wohl anzapfen?
Ohne eine Pause einzulegen, machte die Sozialarbeiterin ihrem Herzen weiter Luft: »Ich weiß, man soll ja nicht schlecht von einem Toten reden, doch dass dieser Holl so kurz nach seiner Entlassung nichts Besseres zu tun hatte, als sich totzusaufen, ist schon saublöd. Und ich habe jetzt den ganzen Ärger!«
»Was meinen Sie?« Lisa Lenz hatte keine Vorstellung, wovon die Frau überhaupt sprach.
Wenig diplomatisch bekam sie zur Antwort: »Woll’n Sie mich veräppeln? Ich muss den ollen Kerl jetzt irgendwie unter die Erde bringen! Hab ihn schon ein paar Tage länger beim Bestatter liegen. Schließlich muss ich versuchen, noch irgendeinen Verwandten aufzutun! ›Ermittlung bestattungspflichtiger Angehöriger‹ heißt das bei uns.«
»Und, haben Sie einen gefunden?«, fragte Lisa gespannt zurück. Sollte es hier eine Spur zu Jenny Holl geben?!
»Wie denn? Der Holl ist dummerweise in einer Kneipe verstorben, in dieser üblen Kaschemme hinter der Tankstelle. Nicht etwa, wie normale Menschen das tun, im eigenen Bett oder wenigstens bei einem Bekannten. Nein! Der Mann hat sein halbes Leben im Knast verbracht, da ist bestimmt nicht mehr viel mit Familie. Ich hab bis jetzt ja noch nicht einmal herausbekommen, wo genau der gewohnt hat.«
Dass es dazu nur ein paar Anrufe gebraucht hätte, wollte Lisa Lenz ihr nicht vorhalten. Sie klang auch so schon verärgert genug. Sie fragte lieber weiter: »Haben Sie noch mehr zu den Todesumständen erfahren?«
Die Sachbearbeiterin empörte sich bereitwillig: »Ach, der war total besoffen, lallte nur noch unverständliches Zeugs, bevor er unter den Tisch rutschte. Der Notarzt konnte ihm auch nicht mehr helfen. Hat mir alles der Fahrer vom Leichenwagen erzählt, als er mir liebenswürdigerweise die Rechnung präsentierte.«
Lisa Lenz schrieb die Angaben eifrig mit und fragte: »Wissen Sie, zu welchem Bestattungshaus die Leiche gebracht wurde?«
»Klar doch! Das hat Lindenlaub gemacht. Die kennen sich mit den Abläufen bei Sozialfällen bestens aus und werden immer zuerst gerufen, da klappt das reibungslos. Die wollten zwar für zwei Wochen in den Urlaub, aber sie haben den größten Kühlraum in der ganzen Gegend. Wie gesagt, ich habe es meist nicht eilig mit dem Beerdigen, muss ja immer noch jemanden finden, der das Ganze bezahlt.«
Lisa fragte weiter: »Sie haben den Arnold Pfeiffer also auch gesehen?!«
»Was denken Sie denn? Ich kann mir die Leute ja nicht aussuchen.«
»Wann war er denn zuletzt bei Ihnen?«
»Hab ich doch gesagt, das ist vorletzte Woche gewesen. Zusammen mit dem Holl.«
»Könnten Sie mir den Pfeiffer näher beschreiben?«, bat Lisa Lenz.
Angewidert schniebte die Frau durchs Telefon. »Einfach nur eklig der Kerl. Unsauber. Und wie der stank!«
»Und sonst? Seine Figur?«
»Na ja. Er ist kein Riese, wenn Sie verstehen. Aber kräftig für sein Alter. Fast sportlich. Das ist bei vielen Knackis so. Machen halt viel mit Gewichten. Blass, kurze Haare. Seine Klamotten passten ihm nicht gerade wie angegossen. War alles ein bisschen zu groß.«
»Was genau hatte er denn an, als er Sie aufsuchte?«
Und noch während die Sachbearbeiterin lustlos und mit abfälligen Bemerkungen die Kleidungsstücke des Mannes beschrieb, wusste Lisa Lenz, dass der unbekannte Tote von den Elf Quellen nicht länger ein Unbekannter war.
Judith Brunner war von den Ermittlungsergebnissen Lisas beeindruckt. Sie griff sofort zum Telefon und hoffte, Dr. Renz trotz der vorgerückten Stunde noch im Krankenhaus anzutreffen, denn sie wollte ihm sowohl von der Identifizierung Pfeiffers erzählen als auch die Begleitumstände von Holls Tod, die in der Kneipe beobachtet worden waren, schildern. Vielleicht half das dem Rechtsmediziner bei seinen Untersuchungen.
Doch Judith Brunner hatte kaum
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