Giftweizen
weiterhilft. Mehr passende Vorfälle sind aber nicht im Archiv dokumentiert. Bei dem Mann in Laatzke sehe ich kaum eine Möglichkeit weiterzukommen, weil ich mir kein Motiv vorstellen kann, außer, er war zufällig am falschen Ort und hat was Strafbares beobachtet. Doch bei der Postfrau, denke ich, liegt der Grund für die Tat auf der Hand – das Rentengeld. Da lohnen sich gegebenenfalls neue Ermittlungen.« Gespannt wartete Laura, was die beiden wohl zu ihrer Arbeit sagen würden.
Walter stand wortlos auf, verschwand für ein paar Minuten und kam mit einer Flasche Rotwein in der Hand zurück. Er sah zufrieden aus, als er sprach: »Judith hat sicher auch nichts dagegen, wenn wir erst einmal auf dein Wohl trinken. Das hast du bravourös erledigt.«
»Das kann ich nur unterschreiben. Danke sehr, Laura«, schloss sich Judith dem Lob einfach an.
Laura holte Gläser herzu, Walter öffnete die Flasche und sie stießen an. Im Kerzenlicht spekulierten sie über den Charakter Lemkes, der ihn schon in so jungen Jahren so aggressiv werden ließ, die Ansatzpunkte, die sie jetzt noch finden konnten, und die nächsten Schritte. Judith würde ihre weiteren Ermittlungen gut begründen müssen. Doch alle drei waren sich einig, dass dieser Verbrecher für sämtliche seiner Taten zur Verantwortung gezogen werden musste. Das bekräftigten sie, indem sie erneut die Gläser hoben.
Und auch im Fall der drei vergifteten Männer, so eigenartig die Konstellationen zwischen den Opfern auch sein mochten, war Judith sich in dieser Umgebung von Geborgenheit, Freundschaft und Liebe ganz sicher: »Bald schon kommen wir der Lösung des Falles ein ganzes Stück näher.«
Auf welch bedrohliche Weise sich ihre Voraussage bewahrheiten würde, sollte sich bereits am nächsten Tag zeigen.
Mittwoch
~ 50 ~
»Den tüchtigen Handwerkern, die im Bestattungsinstitut zugange sind, ist – wie sollte es auch anders sein – überhaupt und gar nichts aufgefallen.« Ritter pflegte mit Wonne sein Vorurteil über die Brauchbarkeit von Zeugenaussagen und gab sich keine Mühe, den Sarkasmus aus seiner Stimme herauszuhalten.
»Was für Schwachköpfe!« Mit diesen Worten hatte ihn Walter gestern auch gegrüßt, als er ihm ein paar Notizen in die Hand drückte; eine Feststellung, die Ritter jetzt mit Freuden wiederholte. Er hatte den Handwerkern die Fingerabdrücke abnehmen müssen und fand Dreyers Eindruck rasch bestätigt. »Wir haben Reifenprofile, Dreck in allen Formen und einige Kleidungstücke sichergestellt, die wir nun untersuchen werden. Eine Leiche war allerdings nicht im Kühlraum«, schloss er seinen Bericht.
Die anderen hatten ihm mit Interesse zugehört.
Judith, die von Walter Entsprechendes zu den Zeugen gehört hatte, amüsierte sich im Stillen, ließ Ritters diesbezügliche Einlassungen kommentarlos durchgehen und fasste die Ergebnisse des gestrigen Tages weiter zusammen: »Wir haben den Toten von den Elf Quellen als Arnold Pfeiffer identifizieren können. Sowohl er, sein Kumpan Otto Holl als auch der nach wie vor nur in Teilen wieder aufgetauchte Eduard Singer sind vergiftet worden. Mit einem Pflanzengift, das aus dem Gefleckten Schierling hergestellt wurde. Wir haben herausgefunden, wo Otto Holl starb – in einer Kneipe in Gardelegen –, dass er danach als ›natürlicher Todesfall‹ bis letzten Freitag im Kühlraum des Bestattungsinstituts Lindenlaub aufbewahrt wurde und wie sein Leichnam von dort ins Krankenhaus kam: Er wurde in der Morgendämmerung, also um circa 5:45 Uhr, aus diesem Bestattungsinstitut abtransportiert. Dazu nutzten die Täter den dort unverschlossen stehenden Leichenwagen.«
»Dann lag also der ermordete Holl völlig legal, gut gekühlt und deshalb auch unvermisst fast eine Woche beim Bestatter!«, konstatierte Hans Grede, »und ich vermute fast, die Waschung seines Leichnams diente nur der Überdeckung seines mittlerweile unerträglichen Verwesungsgeruchs.«
Niemand widersprach.
»Die Inhaber des Bestattungshauses wurden von Kollegen vor Ort in Bad Brambach über die notwendigen polizeilichen Maßnahmen in Kenntnis gesetzt und wollten sich sofort auf die Rückreise machen. Wie zu vermuten war, hatten sie niemandem gestattet, ihr Geschäftsfahrzeug zu benutzen«, teilte Judith Brunner der Vollständigkeit halber mit.
»Ganz schon clever, der Täter«, stellte Ritter zum wiederholten Male fest. »Im Krankenhaus muss man sich dann nur einen weißen Kittel überziehen und eine fahrbare Krankenliege organisieren.
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