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Giftweizen

Giftweizen

Titel: Giftweizen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Schroll
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Krankenhaus? Jemand mit anatomischen Kenntnissen? Warum nicht«, konstatierte Judith Brunner eine weitere Möglichkeit, Verdächtige zu benennen.
»Ich fasse mal zusammen«, versuchte Hans Grede, die für ihn neuen Mitteilungen zu sortieren. »Heute Morgen entdeckt Dr. Renz in der Pathologie einen unbekannten Toten. Gleichzeitig fehlt im Gardelegener Krankenhaus der Leichnam von Eduard Singer, und wenig später findet Botho Ahlsens dessen abgetrennte Hände am Ferchel nahe Waldau. So. Seine Leiche ist also irgendwann vor heute früh« – er sah Dr. Renz fragend an – »verstümmelt und abtransportiert worden.«
»Halb acht am Morgen hab ich angefangen«, beantwortete Renz die angedeutete Frage, »und gestern war sie noch da. Als ich mit dem Chefarzt der Inneren Medizin telefonierte, hatte er sich alle drei Leichen gerade angesehen.«
»Wann war das genau?«, fragte Lisa.
»Gestern Nachmittag, um vier Uhr herum.«
»Schön. Das grenzt also die Zeit, in der Singers Leichnam verschwunden ist, auf rund 15 Stunden ein«, rechnete Ritter aus, »da kann allerhand passieren.«
»Selbstverständlich müssen wir umgehend die Suche nach dem verschwundenen Toten organisieren.« Judith Brunner sah in die Runde. »Lisa, Sie rufen bitte bei den Bestattern in der Gegend an. Erkundigen Sie sich nach den Trauerfällen der letzten Woche. Und sorgen Sie bitte rasch für einen Termin mit dem Direktor vom Krankenhaus; wir müssen die Befragungen dort organisieren. Jemandem muss was in dieser Zeit aufgefallen sein – 15 Stunden immerhin. Ein Wagen, Fremde, irgendetwas!«
Dr. Grede wandte sich direkt an Dr. Renz: »Was macht man eigentlich mit einer Leiche? Ich meine, wozu stiehlt man einen Toten?«
»Gute Frage«, stimmte Thomas Ritter seinem Chef zu.
»Na ja, in unserem Falle liegt das wohl auf der Hand – man fand die Hände nützlich ... Oh, verzeihen Sie die unglückliche Wortwahl, das war nicht meine Absicht.« Dr. Renz sah tatsächlich etwas konsterniert drein.
»Das macht nicht unbedingt den Leichenklau erforderlich«, hakte Ritter nach. »Warum nimmt man den Rest auch mit? Man hätte doch den Mann ohne Hände einfach bei Ihnen liegen lassen können.«
»Stimmt«, räumte Dr. Renz weiter grübelnd ein, »wozu dann wohl? Die Zeiten der anatomischen Theater sind ja lange vorbei. Nun, vielleicht braucht da jemand auch noch andere Körperteile?«
Diese nüchterne Vermutung löste einige Missfallensäußerungen aus.
Doch war sie wirklich so abwegig? Lisa Lenz jedenfalls beugte sich interessiert vor und nickte nur.
»Sie meinen, wir finden morgen irgendwo Schuhe mit Füßen drin?« Thomas Ritter klang erregt.
»Sie haben gefragt«, gab Dr. Renz zurück. »Im Übrigen glaube ich das nicht. So etwas wäre dann schon sehr außergewöhnlich.«
»Also, was ist es dann?«, fragte Ritter weiter. »Ein Nekrophiler?«, warf er in die Runde.
Dr. Renz ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. »Das ist auch eher selten. Doch möglich. Und möglich ist auch, dass jemandem an unserer verschwundenen Leiche lag, um sie schnellstmöglich zu begraben.«
»Hätten Sie sie denn nicht bald freigegeben?«
»Schon. Ich meine aber jemanden, der möglicherweise nicht berechtigt gewesen wäre, diesen Toten zu bestatten.«
»Ach?«
»Da habe ich schon so einiges erlebt: Parallele Ehefrauen, zerstrittene Erben, langjährige Geliebte, uneheliche Geschwister – ein jeder meinte, Rechte auf einen Verstorbenen zu haben. Da gibt es allerhand Motive.«
Judith Brunner stimmte Dr. Renz zu: »Wir müssen den privaten Hintergrund von Eduard Singer gründlich prüfen. Ich werde seine Frau morgen mit unseren Annahmen konfrontieren müssen. Vielleich ergibt sich daraus ein Ermittlungsansatz. Lisa, Sie kümmern sich bitte um alles Amtliche: Testament, Finanzen, Standesamt, na – Sie wissen schon.«
Lisa lächelte und Judith Brunner wusste, dass sie sich voll auf ihre Assistentin verlassen konnte. »Ach, und ein weiteres Motiv für die Entwendung des Leichnams dürfen wir nicht übersehen«, betonte sie, »vielleicht sollte Eduard Singer einfach nicht obduziert werden. Nicht jeder kann die damit verbundenen Fantasien aushalten.«
Dr. Renz nickte bestätigend, schränkte dann aber ein: »Wir dürfen den Aspekt der abgetrennten Hände nicht unterschätzen. Da steckt meines Erachtens mehr dahinter.« Dann griff er in seine lederne Arzttasche: »Hier, die Handschuhe habe ich für Ihre Untersuchungen mitgebracht«, und übergab Dr. Grede einen durchsichtigen Kunststoffbeutel. »Mir

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