Giftweizen
Schinkenbrot hinunter und nahm einen Schluck Kaffee, bevor er loslegte. »Wann habt ihr heute früh am Zaun angefangen?«
»Um sieben warn wir aufm Hof, haben alles aufgeladen und sind mit der ersten Fuhre los.« Er überlegte. »Halb acht denk ich, waren wir am Ferchel.«
»Wer ist wir?«
»Ich hatte heute den Achim und den Manne dabei.«
Müsste er die beiden kennen? Doch die zwei Namen sagten Walter nichts und er fragte nach. Er holte einen kleinen Schreibblock sowie einen kurzen Bleistift aus seiner Jackentasche und machte sich eine Notiz. Dann erkundigte sich weiter: »Heute? Hast du sonst andere Männer mit?«
»Manchmal schon, je nachdem, was sonst in der Genossenschaft zu tun ist.«
»Wer hat an den anderen Tagen mitgemacht?«
Ludwig Wenzel nannte Namen, doch auch diese Leute kannte Walter Dreyer nicht.
»Beschreib mal genau. Was habt ihr am Ferchel gemacht?«
»Heute haben wir nur Material gefahren. Gestern waren nämlich erst die dicken Drahtrollen gekommen. Alle zehn Pfosten haben wir eine Rolle abgeladen. Dann den Bohrer rausgebracht, die neuen Pfähle auch. Ich war mitten in der ersten Fuhre nach der Frühstückspause, als, na ja, als Botho Ahlsens mich wegen dieser Handschuhe anhielt. Ich bin gleich zurückgefahren, auf die Straße ...«, berichtete Wenzel und schaute so erschrocken, als sei es gerade erst passiert.
»Ich erinnere mich«, lächelte Walter ihn beruhigend an, »ist ja alles noch mal gut gegangen.«
Erleichtert hob Wenzel die Kaffeetasse und nahm einen kräftigen Schluck darauf.
»Und ihr habt bei euren Touren niemanden gesehen?«
»Ich jedenfalls nicht«, war sich Wenzel sicher. »Die annern musste selber fragen.«
Walter Dreyer nickte. »Und die Handschuhe lagen auch nicht da?«
»Hab keine gesehen.«
»Wann habt ihr denn Frühstück gemacht?«
»Gegen halb zehn, wie immer.«
»Und wo?«
»Aufm Genossenschaftshof, der Trecker stand direkt beim Lager. Wir mussten doch später mit noch mehr Pfählen los.«
»Und ihr wart alle dort?«, hakte Dreyer nach.
»Wie? Alle?«
»Du und deine Kollegen. Habt ihr zusammen gesessen und gefrühstückt?«
»Na ja, da geht auch schon mal einer weg, kurz nach Hause, aufs Klo. Oder raucht mal eine Fluppe an der frischen Luft. Was fragst du?«
Würde die Zeit womöglich reichen, um zum Ferchel und zurückzukommen, überlegte Walter. Er fragte: »Und wie lange habt ihr Pause gemacht?«
»Na, ne halbe Stunde war’s sicher.«
Das würde sogar für drei Ausflüge reichen, wenn man ein Moped hätte! Aber selbst mit einem Fahrrad wäre der Weg mühelos hin und zurück zu schaffen gewesen.
Walter Dreyer stand auf. Er war mit dem Gespräch zufrieden; er hatte einen Zeitrahmen und er hatte vier Namen. Damit ließ sich etwas anfangen. »Danke. Ich schreibe unser Gespräch noch auf und komme morgen wegen deiner Unterschrift noch mal vorbei, Ludwig«, kündigte er an.
Wenzel hob die Schultern. »Meinetwegen.« Er stemmte sich hoch und öffnete die Tür.
In der Küche waren sie inzwischen mit dem Essen fertig und die Hausherrin räumte gerade das Geschirr zusammen. Die beiden älteren Kinder fochten lärmend mit den Gabeln.
»Ich bring Sie noch zur Tür«, bot Wenzels Frau Walter Dreyer freundlich an. »Und du hör auf, Pitti ständig zu füttern«, wurde der Kleine, dessen Hand wieder einmal nicht zu sehen war, im Rausgehen sanft von ihr gerüffelt.
Der Ertappte nickte stumm.
~ 12 ~
Kurz nach dem Ende ihrer Besprechung hatte Lisa Lenz schon den nächsten Termin organisiert. »Chefin, Sie können den Ärztlichen Direktor«, Lisa las von einem Zettel ab, »einen Dr. Heiner Frederich, unverzüglich befragen. Noch heute! Er macht dann eben später Feierabend, hat er gesagt. Am Eingang wartet jemand auf Sie, eine Schwester Ellen.«
Und so war es. Judith Brunner wurde von der neben der großen Informationstafel wie auf Wache stehenden, sehr jungen und erkennbar aufgeregten Lernschwester erwartet, die offensichtlich genaueste Instruktionen erhalten hatte, nach wem sie Ausschau halten sollte. Ihr Namensschild blitzte am makellos weißen Kittel. »Ich bringe Sie in das Büro von Dr. Frederich. Er ist in einer Besprechung. Ich sage ihm dann, dass Sie da sind. Dann kommt er sofort«, brachte Schwester Ellen hervor, um danach, wie erleichtert von der Bürde einer komplizierten Botschaft, befreit zu lächeln. Die Röte in ihrem Gesicht verblasste; sie wandte den Blick zum Fahrstuhl und wartete.
»Schön. Danke«, versuchte Judith Brunner, ihr die Befangenheit etwas zu
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