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Giftweizen

Giftweizen

Titel: Giftweizen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Schroll
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Leichnam erst einmal alleine an.«
Der Anblick war grausig. Auf die Verwesung hatte Walter Dreyer versucht, sich innerlich vorzubereiten, doch Tierfraß, Maden und diverse Insekten hatten dem Körper erheblich zugesetzt. Es schien tatsächlich ein Mann zu sein. Die Leiche lag irgendwie verdreht auf der Seite, mit einem in stumpfem Winkel abgespreizten Unterschenkel. Am Ende des freiliegenden linken Armes befand sich eindeutig nur ein Stumpf. Mehr brauchte Walter Dreyer nicht zu erkennen und blickte sich um. Bis zum Weg waren es vielleicht zwanzig Meter. Obwohl der Wurzelstock einen natürlichen Sichtschutz bot, war die Leiche nicht so versteckt worden, dass sie unauffindbar bleiben musste. Lediglich etwas altes Laub und herumliegende Äste konnten als Abdeckung über die Leiche gelegt worden sein. Der Wanderweg zu den Elf Quellen wurde zudem häufig frequentiert. Der Täter nahm die Entdeckung der Leiche also billigend in Kauf. Und bis zur Fercheler Eiche und dem Baumstamm mit Singers Händen waren es zu Fuß nur wenige Minuten.
Es dauerte nicht lange, bis die bekannten Fahrzeuge, wieder den Feldweg aus Richtung Wiepke nehmend, zu sehen waren. Walter Dreyer ging den Autos an den wartenden Chorsängern vorbei ein Stück entgegen und bedeutete ihnen abzubiegen, um damit noch ein Stück näher an den Fundort heranfahren zu können.
»Na, wir sehen uns ja fast täglich«, begrüßte ihn Thomas Ritter beim Aussteigen. Sie reichten sich die Hand.
Judith Brunner trat grüßend hinzu, wartete auf Dr. Renz, der aus dem hintersten Auto gestiegen war, und bat Walter Dreyer dann um einen Bericht.
Anschließend begannen die technischen Experten mit der Spurensicherung und Dr. Renz machte sich zunächst Notizen zur Fundsituation.
Bis die Arbeit von Ritters Leuten getan war, konnten Walter und Judith zu den Chorleuten gehen und mit ihnen reden. Jetzt waren deren Erinnerungen noch frisch.
Den kurzen Weg nutzte Walter, um Judith von der fehlenden Hand zu erzählen.
»Na, endlich haben wir Singers Leichnam gefunden«, gestand sie ihre Erleichterung.
Walter war da weniger optimistisch: »Dann müsste ihm jemand, nachdem er ihn aus der Pathologie mitgenommen hat, etwas angezogen haben, denn ich habe Kleidung gesehen. Der Mann da hinten im Wald ist nicht nackt.«
»Nicht? Das ...« Judith unterbrach weitere Spekulationen, die ein bekleideter Leichnam weckte, denn sie hatten die wartende Gruppe der Ausflügler erreicht.
Walter stellte Judith als Hauptkommissarin aus Gardelegen vor und alle fünf Sänger redeten ungehemmt drauflos. Dabei spielte der schockierende Fund einer Leiche seltsamerweise nur eine untergeordnete Rolle.
»Jedes Frühjahr mache ich mit meinen Stimmführern einen besonders schönen Ausflug«, bemerkte Hedwig Bieske, als würde sie damit eine herrschaftliche Gunst gewähren.
»Bei dieser Gelegenheit hilfst du uns immer eine Menge Arbeit für die kommende Saison über!«, relativierte die andere Frau diese Aussage und wurde von einem der Sänger augenblicklich unterstützt: »Schließlich müssen wir dann im Vorfeld der Auftritte mit allen die Lieder einüben. Und nicht nur die Tenöse, wie du weißt, stellt sich dabei immer an, als sei ihre Stimme die einzig tonangebende.«
Judith Brunner überlegte einen Moment zu lange, ob »Tenöse« ein chorinternes Schimpfwort oder ein nur Eingeweihten erklärlicher Spaß war, was die Chorleiterin zur Fortsetzung der Plänkelei ausnutzte: »Einer muss ja schließlich sagen, was gemacht wird!«
Selbst der Finder des Leichnams zeigte sich mehr am Chorleben interessiert: »Fragen könntest du aber schon mal, wir sind ja alle keine Anfänger in dem Metier.«
Hedwig Bieske plusterte sich auf. »Und warum benehmt ihr euch dann so? Muss ich euch wirklich an die unselige Diskussion über unsere Chorkleidung erinnern? Wir haben vier Mitgliederversammlungen benötigt, um festzustellen, dass jeder etwas Schwarzes zum Anziehen im Kleiderschrank hat, aber keiner von euch wollte eine kaisergelbe Krawatte oder ein in dieser Farbe gehaltenes Tuch dazu umbinden!« Diesem Argument konnten ihre Mitstreiter wohl nichts entgegenhalten, weswegen, bis auf ein protestierendes Schnaufen der für die Sopranstimmen zuständigen Dame, einige Sekunden nichts zu vernehmen war.
Judith und Walter hofften während der nun beginnenden Befragung vergebens auf Hinweise, die mehr als die Fundzeit und die Namen der Chormitglieder hergaben. Es würde nichts weiter übrig bleiben, als die fünf in Dreyers Büro nach

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