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Giftweizen

Giftweizen

Titel: Giftweizen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Schroll
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die Trauernden, wenn ihre Zeichen der Zuneigung einfach verschwinden. Die Menschen reagieren betroffen und manche sind auch richtig wütend.«
»Das kann ich gut nachvollziehen«, warf Judith Brunner ein.
»Die Anzahl der Diebstähle ist allerdings so hoch, dass ich nicht davon ausgehe, dass es sich um Leute handelt, die nicht in der Lage sind, ihre Gräber mit eigenen Mitteln zu bepflanzen, oder die mal zum Wochenende einen Blumenstrauß auf dem Tisch stehen haben wollen.« Die Verachtung Uhligs für die Täter war nicht zu überhören. Er holte tief Luft, bevor er fortfuhr: »Mir selber wurden dieses Jahr schon zweimal Pflanzen und eine Vase vom Grab meiner Frau gestohlen. Das tut sehr weh«, schloss er mit belegter Stimme.
Das Schicksal des Mannes machte seine ohnehin berechtigte Empörung noch verständlicher. Judith Brunner ließ ihm Zeit, sich wieder zu fassen.
»Deshalb habe ich schon vor einiger Zeit offiziell Anzeige bei der Polizei erstattet und werde jedem anderen Geschädigten raten, das Gleiche zu tun. Vielleicht finden Sie ja bei entsprechend vielen Anzeigen eine Möglichkeit, sich des Problems anzunehmen.«
Uhligs Unmut war doch noch nicht besänftigt.
»Das werden wir«, versprach Judith Brunner aufrichtig. »Konnten Sie ein Muster bei den Diebstählen erkennen? Sind sie an einem bestimmten Wochentag oder zu einer bestimmten Tageszeit passiert?«
»Bemerkt haben das fast immer die Besucher, die gleich früh am Morgen kommen. Wir schließen um acht auf. Da warten einige Leute schon vor dem Tor, die meisten von ihnen sind schon im Rentenalter. Sie kommen zu Fuß oder mit dem Fahrrad und haben ihre Sachen dabei. Kleine Gartengeräte, eine Gießkanne, Dünger, sogar Heckenscheren. Der Tag beginnt für diese Menschen mit einer Pflicht, die doch zugleich ein Liebesdienst ist. Tagsüber passe ich schon auf und es sind auch meistens Leute auf dem Friedhof unterwegs. Manche haben nicht einmal jemanden auf dem Friedhof liegen; die spazieren hier nur gern rum. Während dieser Zeit ist noch niemandem etwas aufgefallen; mir ist zumindest nichts davon zu Ohren gekommen.«
»Spaziergänger!?«
»Ja. Sicher Leute, die keinen Garten haben oder die die Natur hier genießen wollen. Jetzt sind die Singvögel in Hochform, die Eichhörnchen sind aktiv, Katzen strolchen umher, alles beginnt zu blühen. Wer so etwas mag ...«, ließ Werner Uhlig im Raum stehen.
Es klang aber, als würde er selbst diese Stimmung auf seinem Friedhof auch sehr mögen, fand Judith und fragte nach: »Kennen Sie diese Besucher?«
Uhlig schüttelte den Kopf. »Manche sind zwar so etwas wie Stammgäste, doch viele würde ich wahrscheinlich nicht einmal wiedererkennen.« Da fiel ihm etwas ein: »Allerdings gibt es jemanden, der zurzeit jeden Morgen herkommt. Ein Vogelfreund mit Fernglas. Ihn lasse ich sogar früher rein. Der führt Buch über seine Sichtungen, hat er mir mal erklärt. Aber wie der heißt? Da muss ich passen.«
»Das ist doch schon ein Hinweis. Wenn Sie uns den Mann morgen früh vorstellen könnten? Wir würden ihn gern befragen. Er ist bestimmt ein guter Beobachter.«
Uhlig nickte. »Gut. Und noch etwas könnte wichtig sein. Die Diebe nehmen mit Vorliebe frische, kräftige, vor allem aber wertvollere Pflanzen mit. Die Schnittblumen sind wohl nur zufällige Beute. Letzte Woche zum Beispiel gruben sie zwei Freilandazaleen aus und einen Zwergahorn. Von dem gibt es sogar ein Foto aus dem letzten Herbst, als das Laub noch herrlich leuchtete. Also gäbe es eine Chance diese Pflanze wiederzuerkennen.«
Judith Brunner staunte, wie sachkundig und umfangreich sie hier informiert wurde. Wieso nur hatte ihre Dienststelle solche Probleme mit dieser simplen Angelegenheit? »Was machen die Diebe dann wohl mit ihrer Beute?«
Uhlig hatte einen naheliegenden Verdacht. »Verscherbeln, denke ich. Vielleicht auf einem Wochenmarkt. Da die auch schon meine große Baumschere und zwei Kettensägen geklaut haben, denke ich, sollten Sie auch mal die Gärtnereien oder Baumschulen der Umgebung unter die Lupe nehmen. Sind ja nur drei.«
»Bringen die geklauten Pflanzen denn so viel ein?«, erkundigte sich Judith Brunner skeptisch.
»Kleinvieh macht auch Mist. Und bei den wertvolleren Gehölzen? Na ja, ein paar Zehner pro Stück kommen schon zusammen. Manch einem Dieb genügen diese Summen. Sie brauchen doch bloß mal die Inserate in der »Volksstimme« zu lesen, was die Leute bereit sind, für exotische Zimmerpflanzen zu bezahlen. Da gehen große Palmen oder

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