Gilbert, Elizabeth
unproblematisch. Man
kann am Flughafen sein Geld umtauschen und ein Taxi mit einem netten Fahrer finden,
der einem ein hübsches Hotel vorschlägt. Und seit die Tourismusindustrie
infolge des Terroranschlags (der sich wenige Wochen nach meinem ersten
Bali-Besuch ereignete) vor zwei Jahren zusammengebrochen ist, kommt man noch
viel leichter zurecht; alle sind ganz versessen darauf, einem zu helfen.
Also nehme ich ein Taxi in die Stadt Übud, die mir ein
günstiger Ausgangsort für meine Reise zu sein scheint. Dort checke ich an der
sagenhaften »Monkey Forest Road« in ein kleines, hübsches Hotel ein. Das Hotel
hat einen niedlichen Pool und einen Garten voller tropischer Blumen mit Blüten
größer als Volleybälle (um die sich ein straff organisiertes Team von Kolibris
und Schmetterlingen kümmert). Die Angestellten sind Balinesen, so dass man,
wenn man das Hotel betritt, sofort bewundert und mit Komplimenten überschüttet
wird. Vom Zimmer aus blickt man auf die Wipfel tropischer Bäume, und das
Frühstück, zu dem es jeden Morgen Berge frischer Früchte gibt, ist inklusive.
Kurzum, das Hotel ist eines der nettesten, in denen ich je gewohnt habe, und
kostet mich nicht mal zehn Dollar am Tag. Es ist schön, wieder hier zu sein.
Umgeben von terrassierten Reisfeldern und unzähligen Hindutempeln
liegt Übud im Innern von Bali, wo Flüsse durch tiefe Dschungelschluchten
rauschen und Vulkane am Horizont aufragen. Lange hat man den Ort als
kulturelles Zentrum der Insel betrachtet, da hier traditionelle balinesische
Malerei, Holzschnitzerei, Tanz und religiöse Zeremonien beheimatet sind. Da es
keine Strände in der Nähe gibt, sind die Touristen, die nach Übud kommen, eine
recht exklusive Truppe; sie sehen sich lieber eine uralte Tempelzeremonie an,
als am Strand Pina Colada zu schlürfen. Egal, was aus der Prophezeiung meines
Medizinmanns wird, dies könnte ein Ort sein, an dem es sich für eine Weile gut
leben lässt. Das Städtchen ist eine asiatische Miniversion von Santa Fe, nur
dass hier Affen herumlaufen und man überall balinesische Familien in
Nationaltracht erblickt. Es gibt gute Restaurants und hübsche kleine Buchläden.
Ich könnte hier meine gesamte Zeit mit Dingen verbringen, mit denen sich nette
geschiedene amerikanische Ladys seit Erfindung der YMCA die Zeit vertreiben -
mich für einen Kurs nach dem anderen einschreiben: Batik, Trommeln,
Schmuckherstellung, Töpfern, traditioneller indonesischer Tanz oder Kochen
... Direkt gegenüber dem Hotel entdecke ich sogar einen Meditation
Shop - ein kleines Schaufenster mit einem Schild, auf dem für
die Zeit zwischen sechs und sieben Uhr allabendliche Meditationssitzungen
angekündigt werden. Möge Friede herrschen auf Erden, heißt es auf dem Schild.
Ich bin absolut dafür.
Als ich meine Taschen auspacke, ist immer noch früher
Nachmittag, so dass ich beschließe, einen kleinen Spaziergang zu machen, mich
neu zu orientieren in dieser Stadt, in der ich seit zwei Jahren nicht mehr
gewesen bin. Und danach werde ich mir überlegen, wie ich meinen Medizinmann ausfindig
mache. Ich rechne mit Schwierigkeiten, befürchte, dass es Tage oder sogar
Wochen in Anspruch nehmen könn te. Da ich nicht weiß, wo ich mit
meiner Suche beginnen soll, bleibe ich auf dem Weg nach draußen an der
Rezeption stehen und frage Mario, ob er mir helfen kann.
Mario ist einer der Jungen, die hier arbeiten. Hauptsächlich
wegen seines Namens habe ich mich schon beim Einchecken mit ihm angefreundet.
Denn vor nicht allzu langer Zeit bereiste ich ein Land, in dem zwar viele
Männer diesen Namen tragen, aber nicht einer von ihnen ein kleiner, muskulöser,
energischer Balinese war und einen Seidensarong oder eine Blume hinterm Ohr
trug. Also musste ich ihn fragen: »Heißt du denn wirklich Mario? Besonders
indonesisch klingt das ja nicht.«
»Nicht meine richtige Name«, sagte er. »Meine richtige
Name Nyoman.«
Ich hätte es mir denken können. Hätte wissen müssen, dass
ich eine fünfundzwanzigprozentige Chance gehabt hätte, Marios wirklichen Namen
zu erraten. Auf Bali, falls ich kurz abschweifen darf, gibt es vier Namen, die
der überwiegende Teil der Bevölkerung seinem Nachwuchs verpasst, egal ob Junge
oder Mädchen: Wayan, Made, Nyoman und Ketut. Übersetzt heißen sie so schlicht
wie einfach: Erste/r, Zweite/r, Dritte/r, Vierte/r, und bezeichnen die
Reihenfolge der Geburt. Beim fünften Kind beginnt die Zählung von vorn, so dass
das fünfte Kind tatsächlich einen Namen wie
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