Gilbert, Elizabeth
fragt: »Sind Sie
verheiratet?«, antworten Sie am besten: »Noch nicht.« Auf diese Weise können
Sie höflich Nein sagen und gleichzeitig Ihre Absicht bekunden, sich so bald wie
möglich um Ihre Heirat zu kümmern.
Auch wenn Sie achtzig Jahre alt sind und nie verheiratet
waren und es auch nicht vorhaben, jemals zu heiraten, lautet die bestmögliche
Antwort in jedem Falle: »Noch nicht.«
77
Am nächsten Morgen hilft mir Mario beim Fahrradkauf. »Ich
kenne da jemanden«, meint er wie ein waschechter Italiener und schleppt mich
zum Laden seines Cousins, wo ich mir für knapp fünfzig Dollar ein hübsches
Mountainbike, einen Helm, ein Schloss und einen Korb kaufe. Jetzt bin ich
mobil in meiner neuen Stadt Übud - oder wenigstens so mobil, wie man sich auf
diesen Straßen, die eng und kurvenreich und in schlechtem Zustand und mit
Motorrädern, Lkws und Touristenbussen verstopft sind, guten Gewissens fühlen kann.
Am Nachmittag strample ich hinunter in Ketuts Dorf, um mit
meinem Medizinmann den ersten Tag - unserer wie auch immer gearteten
gemeinsamen Aktivitäten - zu verbringen. Ob Englischstunden?
Meditationsunterricht? Oder gutes altmodisches Auf-der-Veranda-Hocken? Ich weiß
nicht, was Ketut mit mir vorhat, ich bin einfach nur froh, dass er mich
überhaupt in sein Haus eingeladen hat.
Als ich ankomme, hat er Gäste. Eine kleine Familie vom
Land, die Ketut wegen ihres einjährigen Töchterchens aufgesucht hat. Das arme
kleine Ding zahnt und weint schon seit mehreren Nächten. Der Papa ist ein
attraktiver junger Mann im Sarong, mit den muskulösen Waden einer sowjetischen
Heldenstatue. Die Mutter ist hübsch und schüchtern. Sie haben Ketut für seine
Dienste eine winzige Gabe mitgebracht; nur zweitausend Rupien, etwa
fünfundzwanzig Cent, liegen in einem handgeflochtenen Korb aus Palmwedeln,
etwas größer als ein Hotelaschenbecher. Eine einzelne Blüte liegt in dem
Körbchen, zusammen mit dem Geld und ein paar Reiskörnern. (Ihre Armut stellt
sie in krassen Gegensatz zu der reicheren Familie aus Denpasar, die Ketut
später am Nachmittag besuchen wird und deren Mutter einen dreistöckigen Korb
auf dem Kopf balanciert, der mit Früchten, Blumen und einer gebratenen Ente
gefüllt ist - ein Kopfputz so großartig und beeindruckend, dass Carmen Miranda
sich demütig davor verneigt hätte.)
Ketut geht entspannt und huldvoll mit seinen Besuchern um.
Als Balian, Medizinmann, ist es seine Pflicht,
sich um jeden zu kümmern, der ihn um Hilfe bittet. Er lauscht aufmerksam den
Eltern, die die Probleme ihres Babys erläutern. Dann wühlt er in einer kleinen
Truhe auf seiner Veranda und zieht eine uralte Schwarte heraus, voller
Sanskrittexte in winziger Schrift. Er konsultiert das Buch wie ein Gelehrter,
sucht nach irgendeiner passenden Wortkombination, während er mit den Eltern
unausgesetzt lacht und scherzt. Dann reißt er eine leere Seite aus einem
Notizbuch, auf dessen Umschlag Kermit der Frosch abgebildet ist, und stellt
dem Mädchen, wie er mir erzählt, »ein Rezept« aus. Das Kind werde,
diagnostiziert er, zusätzlich zu den körperlichen Beschwerden des Zahnens von
einem kleineren Dämon geplagt. Gegen die Zahnschmerzen empfiehlt er den
Eltern, einfach das Zahnfleisch des Kindes mit rotem Zwiebelsaft einzureiben.
Um den Dämon zu besänftigen, müssten sie ein Hühnchen und ein Ferkel sowie ein
kleines Stück Kuchen opfern, zubereitet mit speziellen Kräutern, die ihre
Großmutter sicherlich in ihrem Heilkräutergarten habe. (Dieses Essen wird allerdings
nicht verschwendet; nach der Opferzeremonie dürfen balinesische Familien ihre
Gaben an die Götter selbst verzehren, da die Geste des Opferns eher
metaphysisch als wörtlich zu verstehen ist. Oder wie die Balinesen sagen: »Gott
nimmt, was Gott gehört - die Geste. Der Mensch nimmt, was dem Menschen gehört -
das Essen.«)
Nach Ausstellung des Rezepts wendet uns Ketut den Rücken
zu, füllt eine Schale mit Wasser und intoniert ein beeindruckendes, wie eine
Wehklage klingendes Mantra, das einem unversehens das Blut in den Adern
gefrieren lässt. Dann segnet er das Baby mit dem Wasser, das er soeben mit
heiligen Kräften aufgeladen hat. Bereits im zarten Alter von einem Jahr weiß
das Kind, wie man auf traditionell balinesische Weise einen Segen empfängt.
Von der Mutter auf dem Schoß gehalten, streckt die Kleine ihre dicken Händchen
aus, um das Wasser in Empfang zu nehmen, nippt einmal, zweimal und spritzt
sich den Rest über den Kopf - ein perfekt
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