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Gilbert, Elizabeth

Gilbert, Elizabeth

Titel: Gilbert, Elizabeth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Love Pray Eat
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vollzogenes Ritual. Sie hat nicht die
geringste Angst vor diesem zahnlosen alten Knaben, der da auf sie einsingt. Er
grinst sie an und sie ihn. Dann gießt Ketut den Rest des heiligen Wassers in
eine kleine Plastiktüte, knotet die Tüte zu und überreicht sie der Familie zur
späteren Verwendung.
    Ketut Liyer hat dieser Familie gegen ein Honorar von
fünfundzwanzig Cent für etwa vierzig Minuten seine ungeteilte Aufmerksamkeit
gewidmet. Hätten sie nichts bezahlt, hätte er dasselbe getan; das ist die
Pflicht eines Heilers. Er darf niemanden abweisen, sonst entziehen ihm die
Götter die Gabe der Heilung. Etwa zehn Besucher hat Ketut täglich, Balinesen,
die seine Hilfe brauchen oder einen Rat in einer religiösen oder medizinischen
Angelegenheit. An besonders glückverheißenden Tagen, wenn jeder einen
besonderen Segen will, können es über hundert sein.
    »Hast du nicht manchmal genug davon?«
    »Aber das meine Beruf«, sagt er mir. »Medizinmann - das
meine Hobby.«
    Noch ein paar weitere Patienten kommen im Laufe des
Nachmittags, doch Ketut und ich haben auch ein paar Minuten für uns hier auf
der Veranda. Ich fühle mich unglaublich wohl in Gegenwart des alten Mannes, so
wohl und entspannt wie bei meinem Großvater. Er erteilt mir meine erste Lektion
in balinesischer Meditation. Es gebe viele Wege zu Gott, erzählt er, doch die
meisten seien für Westler zu kompliziert, daher lehre er mich eine ganz
einfache Meditation: still sitzen und lächeln. Ich bin hingerissen. Er lacht
sogar, während er sie mir beibringt. Sitzen und lächeln. Perfekt.
    »Du studiert Yoga in Indien, Liss?«, fragt er.
    »Ja, Ketut.«
    »Du kannst Yoga machen«, sagt er. »Aber Yoga zu schwer.«
An dieser Stelle verrenkt er seine Glieder zu einem Lotussitz und verzieht das
Gesicht. Dann befreit er sich und lacht und fragt: »Warum sie gucken immer so
ernst bei Yoga? Mit ernste Gesicht man vertreibt gute Energie. Für Meditation
man muss nur lächeln. Lächeln mit Gesicht, lächeln mit Kopf, und gute Energie
vertreibt schmutzige Energie. Sogar lächeln in Leber. Üb heute Abend in Hotel.
Nicht beeilen, nicht zu viel anstrengen. Nur sitzen und lächeln. Wenn zu ernst,
du machst dich krank. Aber mit Lächeln du rufst gute Energie. Jetzt fertig für
heute. See you later, alligator. Komm
morgen wieder. Ich sehr glücklich, dich zu sehen, Liss. Lass dich von deine
Gewissen leiten. Wenn du hast westliche Freunde zu Besuch in Bali, bring mir
für Handlesen. Ich sehr leer in meine Bank seit Bombe.«
     
    78
     
    Das ist Ketut Liyers Lebensgeschichte, in seinen (mehr
oder weniger) eigenen Worten:
    »In meine Familie wir sind Medizinmann schon seit neun
Generationen. Mein Vater, mein Großvater, mein Urgroßvater, alle sind
Medizinmann. Und weil sehen, ich habe intelligent, alle wollen, dass ich werde
Medizinmann. Sehen, ich habe schön und ich habe intelligent. Aber ich will
nicht Medizinmann werden. Zu viel studieren! Zu viel Information! Auch ich
glaube nicht an Medizinmann! Ich will Maler werden! Will Bilder machen. Hab
gute Talent dafür.
    Als ich junge Mann bin, ich treffe Amerikaner, sehr reich,
vielleicht sogar aus New York wie du. Er gefällt meine Bild. Will kaufen große
Bild von mir, vielleicht ein Meter groß, für viel Geld. Genug Geld, dass ich
werde reich. Also ich fange an, Bild für ihn zu malen. Jeden Tag ich male,
male, male. Sogar in Nacht. Damals, lange her, es gibt kein elektrische Licht
wie heute, deswegen ich habe Laterne. Öllampe, verstehst du? Pumplampe, muss pumpen,
damit Öl kommt. Und jede Nacht ich male mit Öllampe.
    Einmal Öllampe ist dunkel, deswegen ich pumpe, pumpe,
pumpe, und es explodiert! Und mein Arm verbrannt! Ein Monat bleibe ich mit
verbrannte Arm in Krankenhaus, aber gibt Infektion. Infektion geht bis zu mein
Herz. Ich muss nach Singapur, sagt der Doktor, Arm abschneiden, amputieren.
Das nicht mein Fall. Aber Doktor sagt, ich muss, Operation, amputieren. Erst
ich gehe heim zu mein Dorf, ich sage zu Doktor.
    Im Dorf hab ich in selbe Nacht ein Traum. Vater, Großvater,
Urgroßvater - alle kommen in Traum zusammen in mein Haus und sagen, wie wird
mein verbrannte Arm wieder gesund. Sagen: Mach Saft aus Safran und Sandelholz.
Mach Saft auf Brandwunde. Dann mach Pulver aus Safran und Sandelholz. Reib
Pulver in Wunde. Ich muss genau so machen, sagen sie, dann ich kann Arm
behalten. Ganz wirklich dieser Traum, alle sind in Haus bei mir, alle zusammen.
    Ich wache auf. Ich weiß nicht, was kann ich tun,

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