Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gilbert, Elizabeth

Gilbert, Elizabeth

Titel: Gilbert, Elizabeth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Love Pray Eat
Vom Netzwerk:
gute Methode, sein Alter zu schätzen, wie jede andere.
Trotzdem, gewöhnlich gehe ich den Dingen auf den Grund. Eines Nachmittags
machte ich daher keine Umschweife mehr und fragte schlicht: »Ketut - wann hast
du Geburtstag?«
    »Donnerstag«, erwiderte er.
    »Diesen Donnerstag?«
    »Nein. Nicht diese Donnerstag. Eine Donnerstag.«
    Das ist schon mal ein Anfang ... Aber gibt's dazu nicht
noch mehr zu sagen? Ein Donnerstag in welchem Monat? In welchem Jahr? Weiß er
nicht. Allerdings ist der Wochentag, an dem man geboren ist, auf Bali ohnehin
wichtiger als das Jahr. Ketut erzählte mir, dass der Schutzgott der an Donnerstagen
geborenen Kinder Shiva der Zerstörer ist und dieser Tag zwei Tiergeister hat,
die den Menschen lenken - den Löwen und den Tiger. Der offizielle Baum der am
Donnerstag geborenen Kinder ist der Banyan, der offizielle Vogel der Pfau. Ein
am Donnerstag geborener Mensch spricht immer als Erster, unterbricht die
anderen, wird leicht aggressiv, ist in der Regel gut aussehend (»ein Playboy
oder Playgirl«, so Ketut), hat ein ausgezeichnetes Gedächtnis und den Wunsch,
anderen zu helfen. Als ich ihm erzählte, dass ich an einem Mittwoch geboren
sei, ließ er mich sogleich wissen, dass meine Göttin Urna sei, mein Tier die
Kuh und mein Vogel die Taube, dass ich ständig Witze reißen, meist übertreiben
würde und manchmal sehr traurig sei, aber im Grunde eine herzensgute Seele.
    Wenn balinesische Patienten mit ernsthaften gesundheitlichen,
wirtschaftlichen oder Beziehungsproblemen zu Ketut kommen, fragt er sie stets,
an welchem Wochentag sie geboren sind, um die passenden Gebete und Arzneien
für sie zusammenzustellen. Denn manchmal, erklärt Ketut, »sind Leute krank in
Geburtstag« und brauchen ein wenig astrologische Feinjustierung, um wieder ins
Gleichgewicht zu kommen. Vorgestern brachte eine Familie aus dem Ort ihren
jüngsten Sohn zu Ketut. Der Kleine war vielleicht vier Jahre alt. Ich fragte,
was er habe, und Ketut übersetzte, dass sich die Familie wegen »Probleme mit
sehr aggressiv diese Junge« Sorgen mache. »Diese Junge nimmt nicht Befehl.
Schlechte Manieren. Passt nicht auf. Alle in Haus Nase voll von Junge. Und
manchmal diese Junge auch zu schwindelig.«
    Ketut fragte die Eltern, ob er das Kind eine Weile halten
dürfe. Sie setzten Ketut den Kleinen auf den Schoß, und der Junge lehnte sich
völlig entspannt und furchtlos an die Brust des alten Medizinmanns. Ketut legte
ihm die Hand auf die Stirn und schloss die Augen. Dann legte er ihm die Hand
auf den Bauch und schloss erneut die Augen. Dabei lächelte er die ganze Zeit
und redete sanft auf den Kleinen ein. Im Nu war die Untersuchung vorbei. Ketut
gab den Jungen seinen Eltern zurück, und die Leute verabschiedeten sich bald
mit einem Rezept und heiligem Wasser. Er habe die Eltern nach den
Geburtsumständen des Kleinen gefragt - erzählte mir Ketut - und festgestellt,
dass er unter einem schlechten Stern und an einem Samstag geboren sei, an einem
Tag also, der Spuren potenziell böser Geister besitzt wie etwa Kuhgeist,
Eulengeist, Hahngeist (der macht den Jungen zu einem Kämpfer) und Puppengeist
(der verursacht die Schwindelgefühle). Aber Ketut nannte nicht nur Schlechtes.
Da er am Samstag geboren war, hatte der Junge auch Regenbogen- und
Schmetterlingsgeist in sich, und diese beiden Geister konnte man stärken. Eine
Reihe von Opfern müsste dargebracht werden, und das Kind würde wieder ins
Gleichgewicht kommen.
    »Warum hast du dem Jungen die Hand auf die Stirn und auf
den Bauch gelegt?«, fragte ich. »Wolltest du fühlen, ob er Fieber hat?«
    »Ich habe geguckt in seine Gehirn«, sagte Ketut. »Ob böse
Geister in seine Gehirn.«
    »Was für böse Geister?«
    »Liss«, sagte er. »Ich Balinese. Ich glaube für schwarze
Magie. Ich glaube, dass böse Geister kommen von Flüsse und schaden Leute.«
    »Und hatte der Junge böse Geister?«
    »Nein. Ist nur krank in seine Geburtstag. Die Familie
macht jetzt Opfer. Dann alles okay. Und du, Liss? Machst du jeden Abend
balinesische Meditation? Kopf und Herz immer schön sauber halten?«
    »Jeden Abend«, versicherte ich ihm.
    »Du gelernt lächeln auch in Leber?«
    »Auch in der Leber, Ketut. Meine Leber strahlt richtig.«
    »Gut. Diese Lächeln macht schön. Diese Lächeln gibt dir power, zu werden sehr pretty.
Pretty power du kannst benutzen, zu kriegen alles, was du willst in
Leben.«
    »Pretty power!« Ich wiederholte den Ausdruck und
fand ihn umwerfend. Wie eine meditierende Barbie.

Weitere Kostenlose Bücher