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Gilbert, Elizabeth

Gilbert, Elizabeth

Titel: Gilbert, Elizabeth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Love Pray Eat
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»Ich will pretty
power!«
    »Du machst auch noch indische Meditation?«
    »Jeden Morgen.«
    »Gut. Vergiss nicht dein Yoga. Gut für dich. Gut für dich
zwei Sorte von Meditation - indisch und balinesisch. Beide verschiedene, aber
beide gut. Selbe-selbe. Auch Religion, meiste davon, ich denke, ist
selbe-selbe.«
    »Nicht jeder denkt so, Ketut. Manche Leute streiten sich
gern über Gott.«
    »Nicht nötig«, sagte er. »Ich habe gute Idee, wenn du
triffst Mensch von andere Religion und er will Streit über Gott. Nie streiten
über Gott. Am besten, du sagst: >Sie haben ganz Recht.< Dann du gehst
nach Hause zu beten, was du Lust hast. Das meine Idee für Leute, für Frieden
zwischen Religion.«
    Ketut - ist mir aufgefallen - reckt fortwährend das Kinn
in die Höhe, legt irgendwie fragend und gleichzeitig elegant den Kopf in den
Nacken. Wie ein neugieriger alter König, der die Welt aus einer gewissen
Distanz betrachtet. Seine Haut schimmert braun und golden. Er ist fast völlig
kahl, gleicht dies aber durch außergewöhnlich lange und federige Augenbrauen
wieder aus, die aussehen, als wollten sie sich umgehend in die Lüfte schwingen.
Abgesehen von seinen fehlenden Zähnen und dem von einer riesigen Brandnarbe
gezeichneten rechten Arm ist er unversehrt. In seiner Jugend war er Tänzer bei
den Tempelzeremonien und sehr schön. Nur einmal am Tag nimmt er eine Mahlzeit
zu sich - ein typisches schlichtes balinesisches Reisgericht mit Ente oder
Fisch. Jeden Tag aber genehmigt er sich eine Tasse Kaffee mit Zucker, vor allem
um sich der Tatsache zu erfreuen, dass er sich beides leisten kann. Bei dieser
Diät könnten auch Sie leicht hundertfünf Jahre alt werden. Stark und fit, sagt
er, bleibe er dadurch, dass er jeden Abend vor dem Einschlafen meditiere und
die gesunde Energie des Universums in sich hineinsauge. Der menschliche Körper
bestehe aus nichts anderem als den fünf Elementen der gesamten Schöpfung - Wasser (apa), Feuer (tejo), Wind (baju), Himmel (akasa) und Erde (pritiwi) -, und man
müsse nichts anderes tun, als sich beim Meditieren auf diese Wirklichkeit zu
konzentrieren, dann werde man aus all diesen Quellen Energie empfangen und
stark bleiben. Indem er sein gelegentlich sehr feines Ohr für die englische
Sprache unter Beweis stellt, erklärt er: »Der Mikrokosmos wird zum Makrokosmos.
Du - der Mikrokosmos - wirst wie Universum - Makrokosmos.«
    Heute war er sehr beschäftigt, förmlich belagert von balinesischen
Patienten, die sich wie Transportkisten in seinem Hof stapelten und Babys oder
Gaben auf dem Schoß hielten. Es waren Bauern und Geschäftsleute darunter, Väter
und Großmütter, Eltern mit Babys, die ihr Essen nicht bei sich behielten, und
alte Männer, die von Flüchen und Verwünschungen verfolgt wurden. Es gab junge
Männer, hin- und hergerissen zwischen Wut und Gelüsten, und junge Frauen, die
sich nach einer Liebesheirat sehnten, während Kinder sich über ihre Ausschläge
beklagten. Alle aus der Balance geraten, alle auf der Suche nach
Wiederherstellung des Gleichgewichts.
    Allerdings ist die Stimmung auf Ketuts Hof niemals hektisch
oder von Ungeduld geprägt. Mitunter müssen die Patienten Stunden ausharren,
bevor sich Ketut um sie kümmern kann, doch nie beginnt einer mit dem Fuß zu
trommeln oder die Augen zu verdrehen. Außergewöhnlich ist auch, wie geduldig
die Kinder warten: Sie lehnen sich an ihre schönen Mütter und spielen mit
ihren Fingerchen, um sich die Zeit zu vertreiben. Es amüsiert mich immer, wenn
sich später herausstellt, dass diese stillen Kinder zu Ketut gebracht werden,
weil die Eltern der Ansicht sind, das Kind sei »ungezogen« und benötige eine
Kur. Dieses kleine Mädchen? Dieses kleine
dreijährige Ding, das vier Stunden am Stück schweigend, klaglos, ohne etwas zu
essen und ohne Spielzeug in der heißen Sonne saß? Dieses Kind soll frech sein?
Gern würde ich mal sagen: »Leute, wollt ihr wissen, was >frech< ist? Ich
bringe euch nach Amerika und zeige euch ein paar Gören, deren Manieren euch ein
für alle Mal von der Nützlichkeit von Ritalin überzeugen würden.« Aber hier
existieren eben ganz andere Maßstäbe für gutes Benehmen.
    Ketut behandelte alle seine Patienten zuvorkommend, einen
nach dem anderen und scheinbar unbekümmert um die vergehende Zeit, schenkte
jedem die Aufmerksamkeit, die er brauchte. Obwohl er so beschäftigt war, dass
er mittags nicht mal zu seiner einzigen Mahlzeit kam, wich er nicht von seinem
Platz auf der Veranda; durch

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