Gilbert, Elizabeth
Ewigkeit hierher unterwegs.
Ich dachte an eines meiner liebsten Sufi-Gedichte, in dem es heißt, dass Gott
vor langer Zeit einen Kreis in den Sand gezeichnet habe, und zwar genau an der
Stelle, an der man »heute« stehe. Nie hat das alles nicht passieren
sollen.
»Wo wirst du dein Haus bauen, Wayan?«, fragte ich sie.
Und es stellte sich heraus, dass Wayan - wie ein
High-School-Baseballer, der sich seit einer Ewigkeit einen bestimmten
Baseball-Handschuh wünscht, oder ein verträumtes Mädchen, das seit seinem
dreizehnten Lebensjahr sein Brautkleid entwirft - sich bereits ein Grundstück
ausgesucht hatte, das sie gerne kaufen würde. Schon eine Ewigkeit lang träumte
sie davon. Es lag in einem Nachbardorf, hatte Wasser- und Stromanschluss, ganz
in der Nähe gab es eine gute Schule für Tutti und die Waisen, und aufgrund
seiner günstigen und zentralen Lage würden ihre Patienten und Kunden sie auch
dort bequem zu Fuß erreichen. Über den Preis und die Größe des Grundstücks war
sie genauestens im Bilde, glaubte, dass sie es sich leisten könne. Beim Bau
des Hauses könnten ihr ihre Brüder helfen. Eigentlich müsste sie nur noch die
Farben fürs Schlafzimmer auswählen.
Also suchten wir gemeinsam einen netten französischen
Immobilien- und Finanzberater auf. Er riet mir, das Geld einfach von meinem
Bankkonto auf Wayans Konto zu überweisen und sie dann das gewünschte Land oder
Haus kaufen zu lassen, damit ich mich nicht mit den Problemen herumschlagen
müsse, die der Erwerb von Grundbesitz in Indonesien mit sich bringe. Und
solange ich keine Summen überwies, die zehntausend Dollar überstiegen, bestand
auch nicht die Gefahr, dass die Finanzbehörden oder die CIA mich der Geldwäsche
verdächtigten. Dann gingen wir zu Wayans kleiner Bank und besprachen mit dem
Filialleiter, wie die Überweisung einer solchen Summe aus dem Ausland ablaufen
würde. Abschließend meinte er: »Also, Wayan, wenn alles gut geht, solltest du
in wenigen Tagen etwa hundertdreißig Millionen Rupien auf deinem Bankkonto
vorfinden.«
Wayan und ich sahen uns an und brachen in ein geradezu
irrsinniges Gelächter aus. Eine so enorme Summe! Wie Betrunkene stolperten wir
ins Freie.
»Nie«, sagte sie, »hab ich gesehen, dass Wunder so schnell
passiert! Immer habe ich Gott gebittet, dass er Wayan doch bitte, bitte hilft.
Und Gott hat Liz gebittet, dass sie bitte auch Wayan hilft.«
»Und Liz«, ergänzte ich, »hat dann auch noch ihre Freunde
angehauen!«
Wir gingen in den Laden zurück und trafen dort Tutti an,
die gerade von der Schule gekommen war. Wayan sank auf die Knie, fasste ihre
Tochter an den Armen und rief: »Ein Haus! Ein Haus! Wir haben ein Haus!« Tutti
legte einen fabelhaft gespielten Ohnmachtsanfall hin und ließ sich in Zeitlupe
zu Boden sinken.
Während wir lachten, fiel mir auf, dass die beiden Waisenmädchen
in der Küche standen und uns beobachteten, und ich sah, dass sie mich mit einer
Miene betrachteten, die irgendwie ... Furcht ausdrückte. Während Wayan und
Tutti freudig herumgaloppierten, fragte ich mich, was die beiden wohl dachten.
Wovor hatten sie Angst? Fürchteten sie, zurückgelassen zu werden? Oder machte
ich ihnen Angst, weil ich aus dem Nichts so viel Geld hervorgezaubert hatte?
(Eine so unvorstellbare Menge Geld, dass man dabei
vielleicht an schwarze Magie denken musste?) Oder ist, wenn man bereits so viel
durchgemacht hat wie diese Kinder, vielleicht jede Veränderung mit Schrecken
verbunden?
Als die Begeisterung wieder ein wenig abgeklungen war,
fragte ich Wayan, nur um mich zu vergewissern: »Was ist mit der großen und der
kleinen Ketut? Ist das auch für sie eine gute Nachricht?«
Ja, meinte sie, das sei eine wunderbare Neuigkeit für die
beiden. Auch sie seien besorgt gewesen und hätten jeden Tag gefragt: »Wenn
Wayan kein Geld und kein Haus hat, was wird dann aus uns?« Sie hätten solche
Angst gehabt, wieder auf der Straße zu landen. Da blickte Wayan zu den Mädchen
hinüber und registrierte offenbar dieselbe Beklommenheit, die auch ich bemerkt
hatte, denn sie eilte zu ihnen, nahm sie in die Arme und flüsterte ihnen
beruhigende Worte zu. Erleichtert schmiegten sie sich an sie. Und dann
klingelte das Telefon, und Wayan versuchte, sich von den beiden zu lösen, doch
die Mädchen vergruben die Köpfe im Schoß und in den Armen ihrer Pflegemutter
und weigerten sich - mit einer Heftigkeit, die ich nie zuvor bei ihnen erlebt
hatte -, sie loszulassen. Daher ging ich ans Telefon.
»Traditionelle
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