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Gilbert, Elizabeth

Gilbert, Elizabeth

Titel: Gilbert, Elizabeth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Love Pray Eat
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immer noch zwei, die versuchen, miteinander klarzukommen, folglich wird
es kompliziert werden. Liebe ist immer kompliziert. Und trotzdem müssen wir
versuchen, einander zu lieben, Darling. Und uns zuweilen das Herz brechen
lassen. Liebeskummer ist ein gutes Zeichen. Er bedeutet, dass wir uns um etwas
bemüht haben.«
    »Mein letzter Liebeskummer«, sagte ich, »war so schlimm,
dass ich heute noch Herzschmerzen habe. Ist das nicht bescheuert? Sich zwei
Jahre nach dem Ende einer Liebesgeschichte immer noch zu grämen?«
    »Darling, ich bin Brasilianer. Ich kann mich noch nach
zehn Jahren grämen - wegen einer, die ich nicht mal geküsst habe.«
    Wir reden über unsere Ehen, unsere Scheidungen. Nicht
kleinlich, sondern Anteil nehmend. Wir analysieren die unermesslichen Tiefen
der Post-Scheidungsdepression. Wir trinken Wein und essen und erzählen uns die
schönsten Geschichten über unsere früheren Ehepartner, nur um dem Thema
Verlust den Stachel zu nehmen.
    »Hast du Lust, am Wochenende was mit mir zu unternehmen?«,
fragte er mich, und ich sagte spontan: »Ja, das wäre nett.« Denn das wäre es wirklich.
    Zweimal hat Felipe, als er mich vor meinem Haus absetzte
und verabschiedete, den Arm ausgestreckt, um mir einen Gutenachtkuss zu geben,
und zweimal habe ich auf dieselbe Weise reagiert - habe zwar zugelassen, dass
er mich an sich zieht, doch dann in letzter Minute den Kopf abgewandt, so dass
nur meine Wange die seine berührte. Und so durfte er mich dann eine Weile
halten. Länger, als für bloße Freundschaft nötig. Ich spürte, wie er das
Gesicht in mein Haar presste, wie sich mein Gesicht irgendwo an sein Brustbein
drückte. Roch sein weiches Baumwollhemd. Seinen Geruch mag ich wirklich. Er hat
muskulöse Arme, eine angenehm breite Brust. Daheim in Brasilien war er mal
Meisterturner. Natürlich war das schon 1969, dem Jahr, in dem ich geboren bin,
aber trotzdem. Sein Körper fühlt sich stark an.
    Wenn ich, sobald er den Arm nach mir ausstreckt, den Kopf
wegdrehe, verberge ich mich damit gewissermaßen vor ihm. Andererseits aber
verberge ich mich auch nicht. Indem ich es zulasse, dass er mich während dieser
langen stillen Augenblicke hält, gestatte ich mir, gehalten zu werden.
    Was ich lange nicht konnte.
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    »Was weißt du über romantische Liebe?«, fragte ich Ketut.
»Romantische Liebe - was ist das?«, erwiderte er. »Vergiss es.«
    »Nein - was ist? Was bedeutet?«
    »Romantische Liebe«, erklärte ich, »das sind Frauen und Männer,
die verliebt sind. Oder manchmal auch Männer und Männer, die verliebt sind,
oder Frauen und Frauen. Küssen und Sex und Heiraten - all so was.«
    »Ich nicht mache Sex mit viele Leute in mein Leben, Liss.
Nur mit meine Frau.«
    »Du hast Recht - das sind nicht allzu viele. Aber meinst
du deine erste oder deine zweite Frau?«
    »Ich habe nur eine Frau, Liss. Sie jetzt tot.«
    »Und was ist mit Nyomo?«
    »Nyomo nicht richtige Frau, Liss. Nyomo Frau von meine
Bruder.« Da er meinen verwirrten Gesichtsausdruck sah, fügte er hinzu: »Das
typisch Bali«, und lieferte mir die Erklärung. Ketuts älterer Bruder, der
Reisbauer ist, lebt nebenan und ist mit Nyomo verheiratet. Er und Nyomo hatten
drei Kinder. Ketut und seine Frau
wiederum konnten keine Kinder bekommen, so dass sie, um einen Erben zu haben,
einen der Söhne von Ketuts Bruder adoptierten. Als Ketuts Frau starb, erklärte
sich Nyomo bereit, abwechselnd auf beiden Familienanwesen zu leben, so dass
sie sich sowohl um ihren Mann als auch um dessen Bruder kümmern konnte. So ist
sie gemäß balinesischer Tradition in jeder Hinsicht (was nämlich Kochen,
Putzen, Vollzug der religiösen Haushaltszeremonien und Rituale angeht) Ketuts
Ehefrau, nur Sex haben sie keinen miteinander.
    »Und warum nicht?«, fragte ich.
    »Zu alt!«, meinte er.
Dann rief er Nyomo herüber, um ihr zu berichten, dass die amerikanische Lady
wissen wolle, warum sie nicht miteinander schliefen. Nyomo lachte sich halb
tot. Sie kam herüber und boxte mich in den Arm.
    »Ich habe nur eine Frau«, fuhr er fort. »Aber jetzt ist
tot.«
    »Vermisst du sie?«
    Er lächelte traurig. »War Zeit für sie zu sterben. Und
jetzt ich erzähle dir, wie ich finde mein Frau. Wenn ich siebenundzwanzig, ich
treffe ein Mädchen, und ich liebe sie.«
    »In welchem Jahr war das?«, fragte ich, wie immer erpicht
darauf, sein Alter in Erfahrung zu bringen.
    »Ich weiß nicht«, sagte er. »Vielleicht 1920?«
    (Das hieße, dass er inzwischen hundertzwölf Jahre

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