Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gilbert, Elizabeth

Gilbert, Elizabeth

Titel: Gilbert, Elizabeth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Love Pray Eat
Vom Netzwerk:
kriegen. Also verabreden Giulio
und ich uns nun zweimal die Woche zum Mittagessen, um unser Italienisch beziehungsweise
Englisch aufzumöbeln - eine schöne Aufgabe für zwei Menschen, die einander
nicht gewohnheitsmäßig auf die Nerven gehen.
    Giulio und Maria haben eine wunderschöne Wohnung, deren
beeindruckendstes Merkmal meiner Meinung nach die Wand ist, die Maria
irgendwann einmal mit wütenden Flüchen (in dicken schwarzen
Magic-Marker-Krakeln) gegen Giulio bedeckte, weil sie sich gestritten hatten
und »er stets lauter brüllt als ich« und sie auch mal zu Wort kommen wollte.
    Ich finde Maria wahnsinnig sexy, und diese von Wut und
Leidenschaft zeugenden Graffiti sind nur ein weiterer Beleg dafür.
Interessanterweise jedoch sieht Giulio in der voll gekrakelten Wand ein
unverkennbares Zeichen für Marias Unterdrückung, weil sie ihre Flüche nicht in
ihrer Muttersprache geschrieben hat, sondern auf Italienisch, einer Sprache,
in der sie erst kurz nachdenken muss, ehe sie etwas sagt. Er meint, falls sich
Maria wirklich von ihrem Zorn hätte überwältigen lassen - was sie niemals tut, da
sie eine brave angelsächsische Protestantin ist -, hätte sie ihre
Muttersprache verwendet. Alle Amerikaner seien letztlich unterdrückt. Was sie
gefährlich mache und potenziell tödlich, wenn sie dann nämlich explodieren.
    »Ein wildes Volk«, diagnostiziert er.
    Dass wir diese Unterhaltung bei einem netten, entspannten
Abendessen führen und dabei auf diese Wand schauen, finde ich einfach toll.
    »Mehr Wein, Schatz?«, fragt Maria.
    Aber mein bester Freund in Italien ist natürlich Luca Spaghetti.
Sogar hier zu Lande findet man es übrigens überaus lustig, mit Nachnamen
Spaghetti zu heißen. Ich bin sehr dankbar für Luca, denn seinetwegen kann ich
mit meinem Freund Brian gleichziehen, der das Glück hatte, neben einem
Indianerjungen namens Dennis Ha-Ha zu wohnen, und folglich immer damit prahlen
konnte, den Freund mit dem coolsten Namen der Welt zu haben. Endlich habe ich
ihm etwas entgegenzusetzen.
    Luca spricht auch hervorragend Englisch und ist ein guter
Esser (auf Italienisch una buona forchetta - »eine
tüchtige Gabel«), so dass er für hungrige Leute wie mich die ideale
Gesellschaft ist. Oft ruft er mich an und sagt: »Hey, ich bin gerade bei dir in
der Nähe. Sollen wir uns auf einen Kaffee treffen? Oder auf einen Teller
Ochsenschwanz?« Wir ver bringen eine Menge Zeit in diesen
schmutzigen kleinen Spelunken in den Seitensträßchen Roms. Wir mögen die
Restaurants mit Neonbeleuchtung und ohne Namensschild. Rotweiß karierte
Plastiktischdecken. Selbstgebrannten Lemoncello. Roten Haus
wein. Pasta, die man in unglaublichen Mengen von »kleinen Julius Caesars«
serviert bekommt - so nennt Luca die stolzen, aufdringlichen Kellner mit ihren
behaarten Pranken und leidenschaftlich toupierten Haaren. »Mir scheint«, sagte
ich einmal zu Luca, »dass diese Burschen sich erstens als Römer, zweitens als
Italiener und drittens als Europäer betrachten.« - »Nein«, korrigierte er mich,
»sie sind erstens Römer, zweitens Römer und drittens ebenfalls Römer. Und jeder
Einzelne von ihnen ist ein Imperator.«
    Luca ist Steuerberater. Ein italienischer Steuerberater und damit - so seine eigenen Worte - »ein Künstler«,
denn es gibt mehrere Hundert Steuergesetze in Italien, die oftmals einander
widersprechen. Folglich erfordert eine Einkommensteuererklärung hier geradezu
jazzähnliche Improvisationskünste. Ich finde es komisch, dass er Steuerberater
ist; für einen so unbekümmerten Burschen scheint mir das eine so penible Arbeit
zu sein. Luca wiederum findet es komisch, dass es an mir noch diese andere
Seite gibt - diese »Yogaseite« -, die er nie erlebt hat. Es ist ihm völlig
schleierhaft, warum ich nach Indien will - und dann auch noch ausgerechnet in
einen Ashram! -, da ich doch ebenso gut das ganze Jahr in Italien verbringen
könnte, wo ich offensichtlich hingehöre. Immer, wenn er mir zusieht, wie ich
die Saucenreste mit einem Stück Brot auftunke und mir danach die Finger
ablecke, sagt er: »Was wirst du nur essen, wenn du in
Indien bist?« Manchmal bezeichnet er mich ironisch als Gandhi, meistens, wenn
ich die zweite Flasche Wein aufmache.
    Luca ist schon ziemlich viel herumgekommen, obwohl er behauptet,
nirgendwo anders als in Rom leben zu können, in der Nähe seiner Mutter, denn
schließlich ist er Italiener - oder? Aber nicht nur seine mamma hält ihn
hier fest. Er ist Anfang dreißig, und seit seiner

Weitere Kostenlose Bücher