Gilde der Jaeger 00 - Magische Verfuehrung
Knochen stachen kantig hervor. Nazarach beließ seine Hand auf ihrer Schulter, als er Antoine ansah. »Offenbar wird Simone die nächsten hundert Jahre mein Gast sein. Sie stimmt mit mir überein, dass sie noch einiges im Umgang mit Engeln zu lernen hat.«
Entsetzen spiegelte sich in Antoines Gesicht, aber er schwieg.
»Du wirst mir treu ergeben sein, Antoine.« Das war Befehl und Warnung zugleich, denn Nazarachs Finger wanderten spielerisch über Simones bleiche Wange. »Sehr treu.«
»Meister.« Antoine verneigte sich und mied Simones Blick.
Doch Nazarach war noch nicht fertig. »Dein Leben ver-schone ich, aber nicht das Leben deiner Kindeskinder. Es wird für die nächsten zweihundertfünzig Jahre keine Beaumont-Vampire mehr geben.«
Frederic hielt den Atem an, und Ashwini wusste auch, warum.
Gerade hatte ihm der Engel verkündet, dass er keine Kinder würde haben dürfen, es sei denn, er wollte sie sterben sehen.
Und da Vampire nach ihrer Verwandlung nur für kurze Zeit noch zeugungsfähig waren, würde er also niemals Kinder haben.
Callan hatte die ganze Zeit über unbewegt dagesessen, nun aber, als sein Name fiel, hob er den Kopf.
»Wenn du und deine Verbündeten in Atlanta bleiben wollt, dann wirst du einen neuen Vertrag mit mir unterzeichnen und mir hundert Jahre dienen.«
Oberflächlich betrachtet schien Callan noch gut davongekom-men zu sein; er hatte Nazarach ohnehin dienen wollen. Doch die Art und Weise, in der Nazarach Monique über den Kopf strich, ließ erahnen, dass der Engel wusste, was zwischen der schönen Vampirin und dem Anführer des Kusses vorgefallen war. Und dieses Wissen würde er nutzen, um Callan zu quälen.
In dieser Nacht floss kein Blut. Jedenfalls keines, das man sehen konnte. Doch als Simone ebenfalls zu Nazarachs Füßen kniete, verstand Ashwini, dass aus manchen Wunden eben kein Blut, sondern Schmerz floss, der seine Spuren bei Menschen und an Orten hinterließ. Schon jetzt waren Simones stumme Schreie mit den kunstvollen Bögen in Nazarachs Heim verschlungen.
8
Noch nie war Ashwini so froh gewesen, einen Ort zu verlassen.
Sie reisten im Morgengrauen ab, doch erst, als das Taxi zehn Minuten von dem Anwesen entfernt war, atmete sie auf.
»Du hast in Nazarachs Haus Dinge wahrgenommen«, bemerkte Janvier neben ihr.
»Es war nicht nur das Haus.« Wenn sie Nazarach hätte be-rühren müssen … In ihr krampfte sich alles zusammen. »Dann gab es da auch noch Antoine. Selbst Simone. Auch sie hat sich einiges zuschulden kommen lassen.«
»Und trotzdem tut sie dir leid«, sagte Janvier mit einem Seufzer. »Warum bin ich eigentlich der Einzige, für den du nie Mitleid empfindest?«
»Weil du nervst.«
Er lachte schallend, und dann hielt das Taxi auch schon vor dem Bahnhof. Sie zahlte und schnappte sich ihre Reisetasche, Janvier tat es ihr gleich. Callan hatte beide Taschen früh am Morgen zurückgebracht. Seiner Mimik nach zu urteilen, war er auf Vergeltung aus.
»Nun denn«, fing Janvier an, während sie den Fahrkarten-automaten mit Geld fütterte, »sind wir jetzt wieder Gegner?«
»Ich schulde dir einen Gefallen. Das werde ich bestimmt nicht vergessen.«
»Ich auch nicht.« Er legte seine Hand an ihre Wange.
»Wenn ich dich bitten würde, mir zu vertrauen, was würdest du sagen?«
»Worte sind Schall und Rauch. Was zählt, sind Taten.« Sein Blut war ihretwegen geflossen, deshalb legte auch sie jetzt die Hand an seine Wange, ein vollkommenes Spiegelbild seiner Geste. »Danke.«
Das Bahngleis war menschenleer, und Janviers Gesicht nahm einen sonderbaren Ausdruck an, als er sich vertrauensvoll zu ihr beugte: »Bleib bei mir. Du wirst lachen und weinen vor Glück und vergehen vor Leidenschaft.«
Er kennt mich gut, dachte sie. So gut, dass er es wagte, ihr diesen Weg ins Ungewisse anzubieten. »Angefangen hast du ja schon damit, aber es liegt noch ein weiter Weg vor dir.«
»Wer hat dir so wehgetan, Cher?« Er stellte die Frage sehr behutsam, doch in seinen Augen lag kalte Entschlossenheit.
Es überraschte sie nicht, dass er intuitiv verstand, was sie bislang noch niemandem anvertraut hatte. Sie schüttelte den Kopf: »Niemand, den du töten könntest.«
Er schlug die Augen nieder. Als er sie schließlich wieder ansah, erwartete Ashwini den alten Cajun-Charmeur zurück, doch stattdessen schlug ihr brodelnde Dunkelheit entgegen und das Gefühl, er würde sein Herzblut für sie hingeben. »Liebst du ihn?«
»Habe ich einmal«, antwortete sie ehrlich. »Jetzt
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