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Gilde der Jäger 01 - Engelskuss

Gilde der Jäger 01 - Engelskuss

Titel: Gilde der Jäger 01 - Engelskuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N. Singh
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ausgebreiteten Flügeln versperrte er ihr den Blick, und erst als er knurrte: »Lass uns allein!«, begriff sie, dass jemand hereingekommen war.
    »Ja, Sire.«
    Vampir… Dmitri.
    Und sie war so verwirrt gewesen, so erfüllt von fremder Lust, die jetzt in Wut umgeschlagen war, dass sie ihn nicht hatte hereinkommen hören. »Ich bringe Sie um!« Das Gefühl, missbraucht worden zu sein, füllte ihre Augen auf demütigende Weise mit Tränen. Sie hätte bei Raphael mit diesem Vorgehen rechnen müssen, hatte es aber nicht. Das machte sie zu einer Idiotin ersten Grades. »Lassen Sie mich gehen!«
    Er sah auf sie herunter, das Blau in seinen Augen hatte sich, als sei ein Sturm hineingefahren, in ein Schwarz verwandelt. »Nein. Nicht in diesem Zustand.«
    Ihr Herz tat einen Satz. Er machte sich Sorgen. Wieder schrie sie: »Verschwinden Sie aus meinem Kopf!«
    »Ich bin gar nicht in Ihrem Kopf, Gildenjägerin.«
    Dass er sie mit ihrem offiziellen Titel nannte, war eine Ohrfeige, die sie wieder zu Sinnen kommen ließ. Anstatt auf die schäumende Empörung in sich zu hören, holte sie mehrmals tief Luft und versuchte sich an ihren inneren Ruheort zurückzuziehen, dorthin, wo sie auch immer Frieden fand, wenn die Erinnerungen an Ariel… Nein, dorthin konnte sie auch nicht mehr zurück. Warum ließ die Vergangenheit sie heute nicht in Ruhe?
    Ein weiterer tiefer Atemzug.
    Die See– frisch, kühl, mächtig.
    Raphael.
    Sie machte die Augen auf. »Mir geht es gut.«
    Bevor er sie losließ, wartete er ein wenig. »Gehen Sie. Wir besprechen das später.«
    Sie brannte darauf, nach dem Messer zu greifen, doch sie drehte sich nur um und ging. Sterben wollte sie nicht– nicht bevor sie Raphael seine verlogenen Augen herausgerissen und in die tiefste und schmutzigste Kloake geworfen hatte.
    Sobald das Schließen der Fahrstuhltüren zu hören war, rief Raphael unten bei seinem Sicherheitsteam an. »Lasst sie nicht aus den Augen. Sorgt dafür, dass ihr nichts geschieht.«
    »Ja, Sire«, antwortete Dmitri, der zweifelnde Unterton in seiner Stimme entging Raphael nicht.
    Er hängte ein, ohne die unausgesprochene Frage zu beantworten. Warum ließ er die Jägerin am Leben, da sie ihn doch angegriffen hatte?
    Vergewaltigung, ist es das, was Sie anmacht?
    Er kniff die Lippen zusammen und ballte die Fäuste so fest zusammen, dass die Knöchel ganz weiß wurden. Im Laufe der Jahrhunderte hatte er sich einiges zuschulden kommen lassen. Doch noch nie hatte er eine Frau gegen ihren Willen genommen. Nie. Und auch heute hatte er es nicht getan.
    Aber irgendetwas war geschehen.
    Deshalb hatte er ihren Angriff zugelassen– sie hatte ihre Wut abreagieren müssen, und er hatte die Schläge beinahe gerne angenommen, denn er fühlte einen Ekel vor sich selbst. Es gab Tabus, die niemals übertreten werden durften. Dass er eines gebrochen hatte, das er selbst vor einigen Jahrhunderten aufgestellt hatte, ließ ihn an seiner eigenen geistigen Verfassung zweifeln. Sein Blut war sauber– erst am Vortag war es untersucht worden–, also konnte es kein Gift sein, das seinen Geist verdorben und seine Kräfte hatte aus dem Ruder laufen lassen.
    Es war ihm unerklärlich.
    Leise fluchte er in einer alten, längst vergangenen Sprache vor sich hin. An die Königin der Gifte, Neha, konnte er sich nicht wenden. Sobald sie auch nur die kleinste Schwäche witterte, würde sie sie ausnutzen. Abgesehen von Lijuan und Elias konnte er keinem im Kader trauen. Lijuan hatte überhaupt kein Interesse an Macht. Solch schnödes Begehren hatte sie bereits vor langer Zeit abgelegt und war schon nicht mehr ganz von dieser Welt. Bei Elias war Raphael sich nicht ganz sicher, aber zumindest war er der Gelehrte unter ihnen.
    Das Problem mit Lijuan war, dass sie die Annehmlichkeiten des modernen Lebens, wie z. B. Telefone, scheute. Sie lebte in den Bergen im hintersten China. Entweder er flog zu ihr oder… Er ballte die Hand noch fester zur Faust. Solange Uram machen konnte, was er wollte, konnte er seine Stadt nicht alleine lassen. Also blieb ihm nur noch eine letzte Möglichkeit.
    Als er sich zum Gehen wandte, fiel sein Blick auf die Plastikröhre, die Elena zurückgelassen hatte. Die Rose des Schicksals war eine uralte Kostbarkeit, die er als junger Engel im Dienst eines Erzengels in längst vergangenen Zeiten erhalten hatte. Der Legende nach hatte der erste Kader die Rose mit vereinten Kräften geschaffen. Ob es sich tatsächlich so zugetragen hatte, wusste Raphael nicht. Dennoch war

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