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Gilde der Jäger 01 - Engelskuss

Gilde der Jäger 01 - Engelskuss

Titel: Gilde der Jäger 01 - Engelskuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N. Singh
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doch wenn sie verhindern wollte, dass dieser Schweinekerl sie zu fassen bekam, dann musste sie ihm direkt ins Herz schießen. Es gab eine minimale Chance, dass er dabei starb. Dann würde sie natürlich angeklagt werden. Es sei denn, sie konnte beweisen, dass er böse Absichten gehabt hatte. Sie sah die Szene schon lebhaft vor sich.
    »Euer Ehren, er wollte mich bis zur Besinnungslosigkeit vögeln, bis ich Gefallen daran fände.«
    Das würde dem Gericht wahrscheinlich runtergehen wie Öl. Bei ihrem Glück würde sie bestimmt an so einen alten Knacker geraten, der wie ihr Vater dachte, Frauen seien lediglich dazu da, die Beine breitzumachen. Jähe Wut packte sie wieder.
    Gerade wollte sie sich mit dem Finger am Abzug umdrehen, als auf einmal ein Motorrad quietschend vor ihr zum Stehen kam. Es war komplett schwarz, genauso wie der Helm und die Kleidung des Fahrers. Aber auf dem Tank war ein unauffälliges goldenes G. zu lesen.
    Sie schlug einen Haken, sprang auf den Rücksitz und umklammerte den Fahrer mit aller Kraft.
    Dmitris Hand streifte gerade noch ihre Schulter, als das Motorrad ausscherte. Als sie sich umdrehte, stand er am Bordstein und warf ihr eine Kusshand zu.
    Raphael schloss die Tür des ganz in Schwarz gehaltenen Raums. Einen Moment lang war er umgeben von absoluter Dunkelheit und überlegte sorgfältig seine nächsten Schritte.
    Lijuan war der Menschheit vollkommen entfremdet.
    Was hingegen zwischen ihm und Elena vorgefallen war, war sehr menschlich, sehr real gewesen.
    Entschlossen presste er die Zähne zusammen, denn er wusste, es blieb ihm keine andere Wahl. Nicht mit einer Mutter wie Caliane. Wenn das erste Anzeichen einer beginnenden Degeneration waren…
    Instinktiv begab er sich in die Mitte des Raums und konzentrierte seine himmlischen Kräfte auf einen glänzenden Strahl tief in seinem Inneren. Wie auch der Zauber des Leuchtens war dies eine Gabe, die einzig Erzengeln vorbehalten war. Doch im Gegensatz zu jener forderte diese einen höheren Tribut. In den kommenden zwölf Stunden würde er in der Stille sein, gelenkt von einem Teil seines Gehirns, dem Gnade fremd war und auch immer fremd bleiben würde.
    Deshalb benutzte er diese Form der Kommunikation nur äußerst selten. In der Zeit danach wurde er dem Ungeheuer, das in seinem Herzen– und in denen aller Erzengel– lauerte, bei jedem Mal immer ähnlicher. Macht war eine Droge, die nicht nur moralisch verdarb, sondern auch zerstörte. In genau solch einer Zeit der Stille hatte er den Vampir bestraft, der am Times Square verendet war.
    Die Bestrafung an sich stand nicht zur Diskussion. Doch die Stille hatte dem Ganzen den Beigeschmack des Bösen verliehen. Diesmal hatte Raphael dafür gesorgt, dass währenddessen nichts passierte, was sich zerstörerisch auswirken konnte. Das Problem dabei war nur, dass er, war er erst einmal in diesem kalten Zustand, die Dinge in einem anderen Licht sah und seine Meinung schnell ändern konnte.
    Und doch musste es sein.
    Konzentriert bereitete er sich auf den Moment vor, breitete die Flügel ganz aus. Die Spitzen berührten gerade eben die Wände, und er schmeckte das Schwarz förmlich auf der Zunge. Menschen und Vampire glaubten im Allgemeinen, dass Engelsflügel außer an der Schulterwölbung unempfindlich waren. Sie irrten sich. Dank einer himmlischen Laune der Evolutionsgeschichte spürte ein Engel jede Berührung an seinen Flügeln, ob nun in der Mitte oder am Rand seiner Schwungfedern.
    Jetzt saugte er die Schwärze in sich auf, als bestünde sie aus Macht. Doch das war sie nicht, denn die Macht war in ihm. Aber das Fehlen sämtlicher Reize– eine Form von totalem Reizentzug– ließ die Macht sich bis zur Qual steigern. Zuerst vernahm er ein Summen in den Adern, dann eine ganze Symphonie, die zu einem donnernden Crescendo bis zum Bersten seiner Blutgefäße und Sehnen anschwoll und ihn von innen her erleuchtete. Genau in diesem Moment– bevor eine Implosion ihn für Stunden lähmen würde– hob er beide Hände und projizierte die Macht an die vor ihm liegende Wand.
    Sie bog sich, wurde flüssig und verwandelte sich in einen schäumenden Tümpel, in dessen ebenholzfarbenen Tiefen nichts zu erkennen war. Doch kurz bevor die Energie rastlos wurde und sich in seinen Körper zurückdrängen konnte, schickte er sie auf die Suche nach Lijuan. Die Fähigkeit, über riesige Entfernungen zu kommunizieren, speiste sich zwar aus derselben Quelle wie die mentale Stärke, doch wurden dabei solch immense Kräfte

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