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Gilde der Jäger 01 - Engelskuss

Gilde der Jäger 01 - Engelskuss

Titel: Gilde der Jäger 01 - Engelskuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N. Singh
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frei, dass sie eines Gefäßes bedurften. Und die Wände dieses Raums waren am besten dafür geeignet, sie aufzufangen. Natürlich eigneten sich zur Not auch andere Gegenstände oder Oberflächen dafür.
    Wenn er für die Versendung seiner Nachricht ans andere Ende der Welt ausschließlich seine mentalen Kräfte benutzt hätte, hätte er wahrscheinlich Teile seines Gehirns zerstört und im weiteren Verlauf das ganze Gebäude. Vor ihm beruhigte sich das Schäumen und Zischen, bis es vollkommen still war. Die Flüssigkeit wurde zu einem schwarzen Spiegel, und in ihm zeigte sich ein vertrautes Gesicht. Ihr Gesicht. Die Suche war sehr präzise und würde einzig und allein Lijuan hervorbringen.
    »Raphael«, sagte sie verblüfft. »Du riskierst so viel Energie, während sich Uram in deinem Staat aufhält?«
    »Es war notwendig. Bis er ins nächste Stadium tritt, werde ich wieder im Vollbesitz meiner Kräfte sein.«
    Ein langsames Nicken. »Ja, bis jetzt hat er die letzte Grenze noch nicht überschritten, nicht wahr?«
    »In dem Fall hätten wir es erfahren.« Die ganze Welt würde davon erfahren. Jeder würde die Schreie hören. »Ich muss dich etwas fragen.«
    Ihre Augen waren unergründlich, so blass, dass man die Iris kaum vom Weiß des eigentlichen Augapfels unterscheiden konnte. »In uns allen steckt ein Ungeheuer, Raphael. Einige werden überleben, andere daran zerbrechen. Du bist noch nicht zerbrochen.«
    »Ich habe meinen Geist nicht mehr ganz unter Kontrolle«, sagte er, ohne sie zu fragen, woher sie bereits so viel wusste. Lijuan war mehr Geist als Mensch, ein Schatten, der sich frei zwischen den Welten bewegen konnte; Welten, von denen die anderen nicht die geringste Ahnung hatten.
    »Es liegt an der Evolution«, flüsterte sie und lächelte, doch das Lächeln erreichte nicht ihre Augen. »Ohne Veränderung würden wir zu Staub werden.«
    Er war sich nicht sicher, ob sie damit ihn oder sich selbst meinte. »Wenn ich anfange, die Beherrschung zu verlieren, dann tauge ich nicht als Erzengel«, sagte er. »Das Gift…«
    »Mit dieser schrecklichen Geißel hat es nichts zu tun.« Sie machte eine abwehrende Bewegung mit der Hand, und er konnte Falten darauf erkennen. Sie war der einzige Engel mit solchen, wenngleich geringen Alterungsspuren, und sie schien Gefallen daran zu finden. »Was du erlebst, ist etwas völlig anderes.«
    »Wie bitte?« Er fragte sich, ob sie vielleicht log, um Zeit zu gewinnen und ihn zu schwächen. Es wäre nicht das erste Mal gewesen, dass zwei Engel gemeinsam vorgingen, um einen dritten zu stürzen. »Oder weißt du vielleicht gar nichts und spielst dich nur als Göttin auf.«
    Die blinden Augen starrten ihn frostig an, doch die Gefühle, die darin aufblitzten, waren so anders, so unbekannt. »Ich bin eine Göttin. Leben und Tod liegen in meiner Hand.« Ihre Haare flatterten in diesem geisterhaften Wind, den nur sie alleine heraufbeschwören konnte. »Mit einem einzigen Gedanken kann ich Tausende töten.«
    »Der Tod kann keine Götter erschaffen, sonst säße Neha in diesem Moment neben dir.« Die Königin der Schlangen, des Gifts, hatte eine breite Spur von Leichen im Gefolge. Niemand widersprach Neha. Es zu tun kam einem Todesurteil gleich.
    Lijuan zuckte die Achseln, eine seltsam menschliche Geste. »Sie ist ein törichtes Ding. Der Tod ist nur die eine Seite. Eine Göttin darf nicht nur Leben nehmen… sie muss auch Leben geben.«
    Er sah sie an, spürte die hintersinnige Schönheit ihrer Worte und wusste auf einmal, was er bislang nur geahnt hatte– sie hatte neue Kräfte entwickelt, Kräfte, von denen bisher nur gemunkelt wurde, doch an die man nicht geglaubt hatte. »Du kannst Tote erwecken?« Nicht zum Leben, sie wären nicht am Leben. Aber sie würden umhergehen, reden und nicht verwesen.
    Sie reagierte auf seine Frage lediglich mit einem Lächeln. »Wir reden hier über dich, Raphael. Hast du keine Angst, ich könnte deine Schwäche nutzen, um dich zu vernichten?«
    »Ich glaube, New York interessiert dich herzlich wenig.«
    Ihr Lachen klang wie kühles Grabesgeflüster und wärmender Sonnenschein in einem. »Du bist ein schlauer Fuchs. Weitaus schlauer als die anderen. Hier kommt jetzt die Antwort auf deine Frage: Du hast die Kontrolle nicht verloren.«
    »Ich habe eine Frau gezwungen, mich zu begehren.« Seine Stimme wurde heftig. »Vielleicht bedeutet es Charisemnon nichts, mir aber schon.« Der genannte Erzengel herrschte über die meisten nordafrikanischen Länder. Wenn

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