Gilde der Jäger 01 - Engelskuss
beschützen.
Sie fuhr nach Hause.
Und wartete, mit der Waffe in der Hand.
Raphael stand vor dem Wohnblock, und selbst in der Stille war er sich seiner Bedrohlichkeit bewusst. Wenn sich Elena in diesen Wänden aufhielt, dann würde Blut fließen. An diesem Ort würde er ihre Anwesenheit nicht tolerieren.
Wieder belegte er sich mit dem Zauber, mühelos durchbrach er beide Doppelsicherheitsschlösser, als er durch die Eingangstür trat.
Aus dem Nachbarzimmer erklangen Stimmen. Männlich und weiblich.
»Komm schon, Baby, nur…«
»Ich höre mir deine Geschichten nicht mehr an!«
»Du hast ja recht, ich habe mich wie ein Idio…«
»Ein riesiger schweinsköpfiger Trottel trifft es besser.«
»Scheiße, hör auf!«
Rascheln, unregelmäßiger Atem. Erregt, eindeutig sexuell.
Raphael marschierte ins Schlafzimmer, und noch bevor der Jäger einen Laut von sich geben konnte, hatte er Ransom mit einer Hand gegen die Wand gedrückt. Doch Ransom reagierte blitzschnell, trat mit den Beinen um sich und schrie: »Hau ab, Nyree! Lauf, Baby!«
Nyree?
Ein Schlag traf Raphael im Rücken. Er blickte über die Schulter und sah eine kleine, kurvenreiche Frau, die mit dem nächstbesten Gegenstand auf ihn einprügelte. Als sich die Finger der Frau um einen schweren Briefbeschwerer schlossen, sandte er sie mit einem Fingerschnipsen in den Schlaf. Langsam verlor sie auf dem Sofa das Bewusstsein.
Der Jäger wurde ganz still. »Wenn sie verletzt ist, dann bringe ich Sie um!«
»Das brauchen Sie nicht«, antwortete Raphael, ließ ihn aber los. »Sie schläft bloß, mehr nicht. So können wir uns besser unterhalten.«
Auf einmal hatte Ransom ein Messer in der Hand und attackierte Raphaels Flügel. Er hatte sie sogar schon leicht getroffen, bevor Raphael die Kontrolle über Ransoms Gedanken übernahm und ihn zwang, das Messer fallen zu lassen. Schweißperlen sammelten sich auf Ransoms Stirn, als er versuchte, die fremden Gedanken zu bekämpfen.
»Interessant. Sie sind mental sehr stark.« Raphael dachte nach. Er konnte den Mann töten, doch dann würde die Gilde einen ihrer besten Jäger verlieren. »Es liegt nicht in meinem Interesse, Sie umzubringen. Wenn Sie aufhören, mich anzugreifen, lasse ich Sie am Leben.«
»Leck mich am Arsch«, sagte Ransom und versuchte einen Schritt nach vorn zu tun. »Ich werde nicht verraten, wo Ellie ist.«
»Doch, das werden Sie.« Er konzentrierte sich auf seine Kräfte, unbarmherzig und nur mit dem einen Ziel vor Augen: »Wo ist sie?«
Ransom lächelte. »Ich weiß es nicht.«
Raphael fixierte ihn und wusste, dass er die Wahrheit sagte– niemand konnte unter einem solchen Druck lügen. Es kursierten immer wieder Gerüchte über Menschen, die angeblich gegen die Kräfte der Engel gefeit waren, wie ja auch manche unempfänglich für die Künste der Vampire waren, doch Raphael war noch nie solch einem Menschen begegnet– nicht in den fünfzehn Jahrhunderten seines Daseins. »Wo würde sie sich verstecken, wenn sie ihre Freunde schützen wollte?«, fragte er stattdessen.
Ransom wehrte sich, wollte nicht antworten, doch der Druck war zu stark. »Sie würde sich nicht verstecken.«
Einen Moment lang dachte Raphael über seine Worte nach. »In der Tat, das würde sie nicht.«
Er ging zur Haustür. »Ihre Freundin wird in ein paar Minuten aufwachen.«
Ransom hustete, als Raphael seine Gedankenkontrolle aufhob. »Sie haben noch einen Kinnhaken gut. Vielleicht auch noch zwei oder sechs blaue Augen.«
»Sammeln Sie ruhig«, sagte Raphael. Dieser Jäger versprach ebenfalls eine Abwechslung in seinem schal gewordenen ewigen Leben. »Wenn es Ihnen gelingt, werde ich Sie nicht einmal bestrafen.«
Neben der Schlafenden kauernd, hob der Jäger fragend eine Braue. »Sind Sie sicher, dass von Ihnen noch etwas übrig bleibt, das ich jagen kann? Ellie wartet bestimmt schon mit einem Tranchiermesser.«
»Ich bin vielleicht nachsichtig mit meinem Spielzeug«, sagte Raphael, »doch nur bis zu einem gewissen Punkt.«
»Was, zum Teufel, hat sie überhaupt verbrochen?«, fragte Ransom, und Raphael verstand diese Frage durchaus richtig als Verzögerungstaktik– der Jäger wollte seiner Freundin so viel Zeit wie möglich geben.
Du musst sie töten.
In seinem Kopf flüsterte Lijuans kalte Stimme so erbarmungslos wie die Stillen Winde. »Das geht nur mich und Elena etwas an«, sagte er. »Sie sollten sich aus diesem Krieg lieber raushalten.«
Ransoms Gesichtszüge wurden hart. »Ich weiß nicht, wie die
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