Gilde der Jäger 01 - Engelskuss
Engel es da oben halten, aber wir hier unten stehen unseren Freunden bei. Wenn sie mich braucht, komme ich.«
»Dann werden Sie eben sterben«, entgegnete Raphael. »Ich teile nicht, was mir gehört.«
Wenn ihre Uhr richtig ging, saß sie jetzt schon seit ungefähr einer Stunde auf dem Sofa und starrte den Turm an. Vielleicht war ihr Aufenthaltsort doch nicht so naheliegend, wie sie angenommen hatte. Mit finsterem Blick zog sie ihr T-Shirt glatt, in das sie nach ihrer Ankunft geschlüpft war. Genau in diesem Augenblick klingelte ihr Handy. Ihr Puls beschleunigte sich, als sie den speziellen Klingelton erkannte; sie kramte es hervor und hielt es sich ans Ohr. »Ransom? Oh mein Gott, er hat dich erwischt!«
»Reg dich ab«, antwortete Ransom. »Mir geht es gut.«
»Du klingst etwas heiser.«
»Er ist ziemlich stark, dieser verdammte… Tut mir leid, Kleines.«
Elena runzelte die Stirn. »Häh?«
»Nyree«, sagte er erklärend. »Sie findet, ich fluche zu viel. Natürlich hat sie selbst wie ein Bierkutscher geflucht, als sie aus dem Schläfchen erwacht ist, in das sie dein Freund während unseres Gesprächs versetzt hatte.«
»Hat er dich verletzt?«
»Willst du mich beleidigen? Ich kann auf mich aufpassen.«
Erleichtert atmete sie auf. »Okay. Und?«
»Also, dieser große, böse, Gedanken kontrollierende Engel glaubt, du gehörst ihm. So etwa wie in: Ich teile meine Frau nicht.«
Elena schluckte schwer. »Du nimmst mich doch wohl auf den Arm?«
Bellendes Gelächter. »Teufel, nein. Das ist so schon spannend genug.«
»Oh Gott.« Vorgebeugt starrte sie Löcher in den Teppich und versuchte, ihre Gedanken zu ordnen. Ja, sie hatte ihn geküsst. Und er hatte auch sehr starke Signale ausgesandt– Signale, auf die sie unwillkürlich reagiert hatte–, doch das kam quasi ganz von selbst bei mächtigen Vampiren und Engeln. Sex war bloß ein Spiel. Es hatte nichts zu bedeuten. »Vielleicht hat er das nur gesagt, um mich zu provozieren.« Das wäre eine sinnvollere Erklärung.
»Oh nein, Baby. Er hat kein bisschen gescherzt.« Seine Stimme wurde ernst. »Der Mann will dich– aber ich weiß nicht, ob zum Bumsen oder Töten.«
Elena richtete sich auf und blickte zum Fenster. Ihr drehte sich der Magen um. »Oh, Ransom, ich muss jetzt Schluss machen.«
Stille. Dann: »Er hat dich gefunden.«
Ihr Blick war auf die weißgoldenen Flügel gerichtet, als Raphael vor ihrem Fenster schwebte. Sie klappte das Handy zu und legte es auf den Couchtisch. »Ich lasse dich nicht rein«, flüsterte sie, obgleich er sie gar nicht hören konnte.
Ich kann jederzeit hinein.
Beim kristallklaren Klang seiner Stimme stockte ihr das Blut. »Ich habe es Ihnen doch gesagt– verdammter Mist, verschwinden Sie aus meinem Kopf.«
Warum?
Die Kälte dieses einzigen Wortes ging ihr durch und durch. Sara hatte recht gehabt– irgendwie war Raphael heute Nacht anders. Und für sie war das schlecht, sehr schlecht. »Was ist denn mit Ihnen los?«
Nichts. Ich bin in der Stille.
»Was, zum Teufel, bedeutet das?« Langsam tastete sie nach ihrer Waffe. Dabei wandte sie ihren Blick keine Sekunde von ihm ab. »Und warum sind Ihre Augen so… kalt?« Wieder dieses Wort.
Er spannte seine Flügel noch weiter auf, breitete das goldene und weiße Muster auf der Unterseite ganz vor ihr aus. Beinahe hätte diese Schönheit sie abgelenkt. »Gerissen«, sagte sie und konzentrierte sich dabei absichtlich auf sein Gesicht. »Sie versuchen, mich zu manipulieren, ohne Ihren Geist zu benutzen.«
Sie haben recht, ich brauche Sie. Bei zu starker Gedankenkontrolle riskiere ich, Ihre neurologischen Bahnen für immer zu verändern.
»Quatsch«, murmelte sie, die Waffe schon fast in der Hand. »Sie können mich eine Zeit lang beherrschen, aber sobald Sie mit der Kontrolle aufhören, bin ich wieder frei.«
Sind Sie sicher?
Auch wenn sie in diesem Moment Todesangst hatte, fühlte sie sich seltsamerweise der Gedankenkontrolle nicht so schutzlos ausgeliefert wie sonst. Wenn er sein arrogantes Tödlich-wie-die-Hölle-Selbst an den Tag legte, setzte die gegenseitige sexuelle Anziehungskraft ihr natürliches Abwehrsystem außer Kraft.
Doch dieser Mann, dieser wahrhaft kalte Mann mit den tödlichen Augen… da lag endlich die Pistole in ihrer Hand.
18
»Wissen Sie was?«, sagte sie und bemühte sich, gelassen zu wirken, »das Einzige, was ich mit Sicherheit weiß, ist, dass Sie verrückt sind.«
Haben Sie deshalb eine Waffe?
Ihre Hand krampfte sich um die Pistole,
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