Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gilde der Jäger 02 - Engelszorn

Gilde der Jäger 02 - Engelszorn

Titel: Gilde der Jäger 02 - Engelszorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N. Singh
Vom Netzwerk:
Lachen voll echter Freude – wenn man es überhaupt so nennen konnte. »Hmm, ja, diese Flügel sind in der Tat herrlich.« Ihre Augen wanderten wieder zu Elenas Flügeln. »So ungewöhnlich wie deine.«
    »Leider«, sagte Elena, die wusste, dass sie jetzt Rückgrat zeigen musste, auch wenn dieser Engel sie mit einem einzigen Gedanken töten konnte, »bin auch ich kein Sammlerobjekt.«
    »Oh, ich möchte deine Flügel nicht ausstopfen«, sagte Lijuan, derweil tanzte ihr Haar sanft in der unheimlichen Brise, die sonst nichts zu berühren schien. »Lebend bist du viel interessanter.«
    »Da habe ich ja Glück gehabt.« Nur empfand sie es nicht so. Elena lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und überließ Raphael und Lijuan das Gespräch. Während sie redeten, hörte sie zu, beobachtete … und versuchte herauszufinden, was mit Lijuan nicht stimmte.
    Sicher, ihre Gabe trieb Elena kalte Schauer über den Rücken, aber Raphael hatte auch schon einmal einem Vampir alle Knochen gebrochen und ihn zur Warnung aller leiden lassen. Und ihre Unterhaltung heute im Flugzeug hatte ihr klargemacht, dass er zu dieser Art von Grausamkeit noch genauso im Stande war wie am Tag ihrer ersten Begegnung.
    Dennoch schlief sie jede Nacht mit ihm in einem Bett, klammerte sich an ihn, wenn die Albträume wieder einmal übermächtig wurden. Vertrauen, zwischen ihnen herrschte Vertrauen. Aber selbst in der Zeit davor, als er für sie lediglich der Erzengel von New York war – hart, grausam, unerbittlich –, hatte sie bei ihm nie dieses unheimliche Kribbeln verspürt, das Gefühl, sich in der Gegenwart von etwas zu befinden, das es eigentlich nicht geben durfte.
    »Ah, da kommt ja das Essen.«
    Elena hatte ihren Kopf schon zur Tür gedreht, denn sie hatte die Vampire bereits gerochen.
    Jasmin und Honig.
    Mit Zimt bestäubtes süßes Fichtenholz.
    Ein Sonnenkuss mit einem Hauch frischer Farbe.
    Seltsame Kombinationen, ungewöhnliche Düfte, aber so waren die Vampire nun einmal. Einmal hatte sie Dmitri gefragt, welche Düfte sie untereinander von sich wahrnähmen. Mit einem höhnischen Lächeln, das eigens für sie reserviert war, hatte er ihr geantwortet: »Überhaupt keine. Wir sparen uns unsere Sinne auf für die Sterblichen – für die Mahlzeiten.«
    Die drei Vampire, die den Raum betraten, waren alle Männer, doch nur einer hatte die für Lijuans Heimatland typischen schwarzen, seidig glänzenden Haare und mandelförmigen Augen. Er war das Fichtenholz. Neben ihm stand ein Eurasier mit den breiten Schultern eines Boxers und den himmelblauen Augen eines Jungen aus Kansas, sein Gesicht war nicht ganz richtig zusammengesetzt, aber trotzdem oder gerade deshalb fesselte es einen. Er war der Jasmin. Und der Sonnenkuss – bei der Erinnerung an diesen Duft drehte sich ihr der Magen um: Blut und Tod, verwestes Fleisch und Uram, der ihren zertrümmerten Fußknöchel malträtierte.
    Der Sonnenkuss kam näher, deckte den niedrigen Tisch mit den Holzschnitzereien, den einzigen Gegenstand zwischen ihr, Raphael und Lijuan, mit zartem, handbemaltem Porzellangeschirr. Seine Hände glänzten so dunkel wie das Mark eines Mpingo-Baums, ein Holz, das so edel war, dass Möbel daraus ein Vermögen kosteten.
    Seine schöne Haut erinnerte sie an die Monate, die sie in Afrika verbracht hatte, und erst, als sie ihm in die Augen sah, bemerkte sie, dass er tot war.
    Raphael schloss sofort aus Elenas Reaktion, dass etwas nicht stimmte. Erkannte, dass der Vampir, der ihr den honigfarbenen Oolongtee in die Tasse goss, ein Wiedergeborener war. Elena verharrte vollkommen reglos, so reglos wie ein Jäger auf der Pirsch.
    Natürlich hätte er mit ihr telepathisch kommunizieren können, ihr einschärfen, auf keinen Fall Angst zu zeigen, doch bei Lijuans umfassend gewordenen Fähigkeiten war zu befürchten, dass sie die Warnung hören konnte – und Raphael wollte auf gar keinen Fall irgendetwas tun, das Elena schwach erscheinen ließ. Stattdessen vertraute er seiner Jägerin, und sie enttäuschte ihn nicht.
    »Vielen Dank!«, sagte sie, nachdem der Wiedergeborene eingeschenkt hatte.
    Ein winziges Kopfnicken von dem Vampir, der noch so frisch wirkte, so neu, dass er noch nicht lange wiedergeboren sein konnte. Aber die Augen – ja, in diesen Augen stand, dass er um sein Schicksal wusste. Raphael wartete geduldig ab, bis der Wiedergeborene auch ihm eingeschenkt hatte, Lijuans Tasse wurde von dem blauäugigen Vampir gefüllt.
    »Einen Toast«, verlangte Lijuan und hob ihre Tasse,

Weitere Kostenlose Bücher