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Gilde der Jäger 02 - Engelszorn

Gilde der Jäger 02 - Engelszorn

Titel: Gilde der Jäger 02 - Engelszorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N. Singh
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sie trotz seiner harten Worte vor dem eisigen Wind schützte. »Ich muss noch einmal zurück ins Haus«, sagte sie, »mich vergewissern, dass mir bei der Spur kein Fehler unterlaufen ist.«
    Noch einen Moment lang hob Raphael ihr Kinn hoch, dann legte er seine Lippen auf ihre. Sie waren noch in einem Kuss aus Wut und Erleichterung miteinander verschmolzen, als er schon wieder in die Lüfte stieg und sie vor Sams Haustür absetzte. Erschüttert, aber entschlossen, nicht aufzugeben, durchstreifte sie das Haus, alle Sinne in Alarmbereitschaft … doch sie kam zu keinem neuen Ergebnis.
    »Er ist durch diesen Ausgang verschwunden«, sagte Elena, erleichtert, dass Sams Mutter nicht mehr zugegen war. Sie konnte diese Frau nicht ansehen, ohne gleichzeitig an die Verzweiflung einer anderen Mutter in ihrem kleinen Häuschen am Stadtrand zu denken. Fast zwanzig Jahre war das jetzt her.
    »Das bedeutet, er hatte Hilfe von einem Engel«, sagte Raphael mit furchterregend tonloser Stimme. In dieser Stimmung war der Erzengel von New York imstande, ohne Gewissensbisse zu morden, ohne Mitgefühl zu foltern. »Du hast die Gerüche von Sameons Familie aufgenommen – kannst du auch den des Engels erkennen?«
    »Raphael«, fragte sie, musste sie fragen, »Näherst du dich jetzt dem Zustand der Stille?« In den Stunden, bevor sie auf ihn geschossen hatte, war er zu einem Fremden geworden, einem Erzengel, der sie unerbittlich und bedrohlich quer durch New York gejagt hatte.
    Nein.
    Noch immer schlug ihr Herz vor Angst wie wild – Angst, was der Zustand der Stille aus ihm machen könnte, wenn er sich seiner von Neuem bemächtigte. Elena wandte sich nun wieder der offen stehenden Tür zu, wollte ihre neu erworbenen Fähigkeiten einsetzen.
    Frühling und Pelz.
    Apfel bestäubt mit frischem Schn…
    Weißes Rauschen.
    Die Enttäuschung traf sie bis ins Mark. »Wenn meine Neuschöpfung meine Jagdinstinkte beeinflusst hat, dann ist dieser Schöpfungsprozess noch nicht vollständig abgeschlossen. Anscheinend kommen und gehen die neuen Fähigkeiten.« Sie fuhr sich durchs Haar, verließ sich nun wieder ganz auf ihre Ausbildung und Erfahrung. »Wahrscheinlich hat der Vampir diese Tür nicht berührt, sein Geruch ist so intensiv, dass er sich nicht so rasch hätte verflüchtigen können.« Elena blickte hinab in die tintenschwarze Tiefe der Schlucht, sie fröstelte. »Wie stark müsste ein Engel sein, der jemanden aus dieser Höhe auffangen könnte?«
    »Er müsste die Kräfte eines mindestens Dreihundertjährigen haben.« Ihre Flügel berührten sich, als sie nebeneinander standen und in die undurchdringliche Schwärze hinuntersahen. »Ich werde die Gegend absuchen.« Und dann sagte er etwas, was sie noch nicht einmal zu denken gewagt hatte. »Es besteht die Möglichkeit, dass dabei etwas schiefgegangen ist.«
    Alles in Elena sträubte sich bei dem Gedanken, dass Sams kleiner Körper dort zerschmettert in der Kälte liegen sollte. »Wenn diese Bestien Sam auch nur ein Haar gekrümmt haben, drehe ich sie durch den Fleischwolf.«
    Genau aus diesem Grund bist du die Meine.
    Nachdem Raphael in der Nachtluft verschwunden war, ging Elena zum Eingang zurück. Die Engel waren allesamt verschwunden; da stahl sich plötzlich ein einsamer Vampir aus den Schatten. Seine Haut war etwas ganz Besonderes: ein dunkles, dunkles Braun, mit Gold unterlegt. So satt und so warm war die Farbe, dass sie selbst dann noch leuchtete, als der Mond hinter einer Wolke verschwand und die Zufluchtsstätte in tiefste Nacht hüllte. Die Augen jedoch waren von einem solch unglaublich strahlenden Silber, dass sie die Dunkelheit mühelos durchdrangen, als sei sie gar nicht vorhanden. Das Haar hatte den gleichen Silberton und umrahmte sein Gesicht in glänzenden, geometrischen Linien, betonte dabei seine Unterkieferknochen.
    »Ein Tiger«, flüsterte sie, während er auf sie zugelaufen kam, wobei das Wort »laufen« nicht ganz zutraf. Sein Gang erinnerte mehr an das lautlose Schleichen einer Raubkatze. »Sie verströmen den Geruch eines Tigers auf der Jagd.« Kraftvoll und tödlich.
    »Ich bin Naasir.« Vornehm und kultiviert klangen seine Worte, doch die metallischen Augen sahen sie mit unverwandter Entschlossenheit an. »Dmitri hat mich gebeten, Sie zu unterstützen.«
    »Sie sind einer der Sieben.« Naasir war ganz geballte Kraft, nicht wie Dmitri – sinnlich und todbringend –, sondern wild und ungezügelt, als wäre diese bezaubernde weiche Haut nur eine Tarnung für das

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