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Gilde der Jäger 02 - Engelszorn

Gilde der Jäger 02 - Engelszorn

Titel: Gilde der Jäger 02 - Engelszorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N. Singh
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darunter lauernde Raubtier.
    »Ja.«
    Die Wolkendecke brach auf, und ein Mondstrahl fiel auf sein Gesicht. Elena stellte fest, dass die Augen des Vampirs das Licht ebenso bündelten wie die Augen einer Katze. Unmöglich. Aber Naasirs Geheimnis musste sie heute Nacht wahrhaftig nicht lösen. »Ich werde die Gegend hier absuchen«, sagte sie, »mal sehen, ob ich einen Landeplatz ausfindig machen kann.« Was eigentlich unsinnig war, wenn man bedachte, welche Entfernungen Engel zurücklegen konnten. Aber irgendetwas musste sie ja tun.
    »Dmitri teilt gerade die Vampire und jüngeren Engel zu einer ähnlichen Suche ein.«
    Und die würden viel zügiger vorankommen, dachte Elena bei sich, denn sie hatte noch nicht einmal eine Geruchsmarke als Ausgangspunkt. Aber sie konnte doch nicht einfach gar nichts tun. Naasir sah sie immer noch an, und als sie seinem Blick auswich, fiel ihr auf einmal in der Ferne eine nadelspitze Bergformation ins Auge. Ihr Herz begann wie wild zu klopfen. »Wie gut kennen Sie sich in der Zufluchtsstätte aus?«
    »Sehr gut.«
    »Zeigen Sie mir bitte Michaelas Abschnitt.« Raphael hatte den Erzengel unbarmherzig gedemütigt. Vielleicht war der Engel, der sich so grausam an Noel vergriffen hatte, wieder aufgetaucht … oder Michaela sann auf Rache, knöpfte sich genau die vor, die von Raphael Schutz erhofften.
    »Hier entlang.« Naasir bewegte sich mit der außergewöhnlichen Anmut eines Wesens, das in der Nacht zu Hause war.
    Nur mühsam konnte Elena mit dem Schritt halten, was für Naasir gewiss ein Kriechen war.
    Ein paar Minuten später auf einer Lichtung hob Naasir zunächst, wie um ein Zeichen zu geben, den Arm, bevor er sich zu ihr umdrehte. »Zu Fuß ist Michaelas Haus zu weit entfernt.«
    Als Illium nur einen knappen Meter neben ihr landete, wurde Elena starr vor Schreck. Sie ließ sich einzig von Raphael tragen. Auch wenn es ein langer Fußweg sein würde. Nicht nur, weil es ihr schwerfiel, anderen zu vertrauen, für sie war der Akt an sich auch körperlich viel zu intim. Besonders ihre Flügel waren auf beinahe schmerzhafte Weise empfindlich. Heute Nacht jedoch hatte sie wenigstens einen guten Grund abzulehnen. »Wenn ich in der Luft bin, entgeht mir vielleicht der Geruch des Vampirs am Boden, falls man ihn nicht direkt zu Michaela geflogen hat.«
    Illium reichte ihr seine Hand. »Andersherum geht es viel schneller. Erst siehst du dich bei Michaela um, und dann kommst du gegebenenfalls noch einmal zurück.«
    Illium hatte recht, also unterdrückte Elena ihren Unwillen und ging zu ihm; Naasir war unterdessen in der Dunkelheit verschwunden. »Bilde ich mir das nur ein, oder ist Naasir ungefähr so zahm wie ein Berglöwe?«
    »Im Vergleich zu Naasir sind Löwen Schmusekätzchen.« Illium umschlang ihre Taille, sie legte ihm die Arme um den Hals, die Flügel hielt sie fest an den Rücken gepresst. Auf diese Art war es leichter für Illium, sie zu tragen – außerdem lag der unglaublich empfindliche Innenbogen ihrer Flügel so geschützt.
    »Deine Blutergüsse.«
    »Lass mich bloß nicht fallen, aus Angst, du könntest mich zu hart anpacken.«
    »Ich lass dich schon nicht fallen«, flüsterte ihr Illium ins Ohr und schwang sich in die Lüfte.
    »Die berühmten letzten Worte«, murmelte sie, der Wind peitschte ihr die Haare aus dem Gesicht und drohte ihre Worte, ihren Atem, mit sich fortzutragen.
    »Du bist verwöhnt, Ellie. Sonst wirst du immer von einem Erzengel getragen.« Er tauchte unter anderen Engeln hindurch und flog auf eine Ansammlung eleganter Häuser zu, die auf einem Plateau lagen. Ringsum war alles von kostbar gearbeiteten Metalllaternen erhellt, die Wege waren ein harmonisches Zusammenspiel von Form und Funktion.
    »Liegen dort hinten Gärten?«, fragte sie, und als Illium sich zu ihr hinunterbeugte, um sie besser zu verstehen, spürte sie seinen warmen Atem an ihrer Wange.
    »Michaela kommt kaum her, aber ihre Gärten sind berühmt. Selbst in dieser Kälte finden sich noch Pflanzen, die wachsen, teilweise sogar blühen.«
    Blühen.
    Eine Flut von Bildern aus dem Garten mit den Wildblumen stürzte auf sie ein – blutdurchtränkte Blütenblätter auf dem Boden, verstümmelte Körper zerquetschen die Blütenpracht, und das eindringlichste Bild von allen: Illium, der mit gnadenloser Präzision Flügel abtrennt, während sich die untergehende Abendsonne in seinem Schwert spiegelt. Elena fragte sich, ob die Engel dort wohl immer noch einsam und verlassen in der Dunkelheit

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