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Gilde der Jäger 02 - Engelszorn

Gilde der Jäger 02 - Engelszorn

Titel: Gilde der Jäger 02 - Engelszorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N. Singh
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Engel um die Ecke gebogen. Er war vielleicht mittelgroß und hatte die Statur eines Achtzehnjährigen; seine Augen waren von einem warmen Braun, das schwarze Haar rahmte ein dunkelhäutiges Gesicht ein, sein Kinn war spitz, seine Lippen voll – er war schön wie eine Frau. Was ihn jedoch von einer unterschied, war sein selbstbewusstes männliches Auftreten, seine ungezwungene Art.
    »Ich habe das Gefühl, wir kennen uns«, murmelte Elena und starrte in dieses Gesicht, das sich herkunftsmäßig nicht einordnen ließ. Er hätte in Ägypten oder Indonesien geboren sein können, aber genauso gut auch irgendwo sonst auf der Welt.
    Raphael legte ihr die Hand in den Nacken. »Keir hat über dich gewacht, während du geschlafen hast.«
    »Und manchmal« – mit einem Lächeln auf den perfekt geschwungenen Lippen – »habe ich Ihnen vorgesungen, auch wenn Illium mich immer angefleht hat aufzuhören.«
    Es war so leicht dahingesagt, aber dieses Lächeln … alt, so alt. Elenas Knochen ächzten bei der Vorstellung, dass, wenngleich Keir aussah wie ein Teenager kurz vor seinem achtzehnten Geburtstag, er doch schon mehr Tage hatte anbrechen sehen, als vorstellbar für sie waren.
    »Halten Sie Sam in einem künstlichen Koma?«, fragte Elena.
    »Ja. Er ist noch zu klein, als dass er immer daran denken könnte, seine Flügel nicht zu bewegen. Also werden wir ihn erst wieder aufwecken, wenn die Knochen zusammengewachsen sind.«
    Raphael grub seine Finger in ihren Nacken. »Ist mit langfristigen Schäden zu rechnen?«
    Bestürzt blickte Elena durch die Glaswand. »Können Engel so schlimm verletzt werden?«
    »Solange wir jung sind«, sagte Keir, »ja. Manche Verletzungen brauchen Jahrzehnte, um ganz auszuheilen.« Keirs braune Augen ruhten auf Raphael. »Man braucht einen eisernen Willen, um solche Schmerzen zu überleben, aber das wird bei Sam nicht nötig sein. Seine Verletzungen werden innerhalb der nächsten Wochen heilen.«
    Elena presste die Hände an die Glasscheibe. »Ich kann einfach nicht begreifen, wie jemand so böse sein kann.«
    Raphael streichelte ihren Nacken, nur mühsam konnte der Erzengel seine Wut im Zaum halten. »Du hast selbst miterlebt, wie Unschuldige in ihrem Blut ertrunken sind, und dennoch fragst du?«
    »Bill«, sagte sie und nannte dabei den Namen des Jägers, der eine Reihe von Jungen brutal abgeschlachtet hatte, bevor Elena seinem Leben ein Ende gesetzt hatte, »war geistesgestört, die Krankheit hatte den Menschen in ihm ausgelöscht. Aber wir sprechen hier von einer wohlüberlegten Tat.« Das Brandmal auf Sams Wange, das abstoßendste äußerliche Zeichen seiner Misshandlungen, war mit einem Pflaster bedeckt. »Wird das verblasst sein, bevor er wieder zu sich kommt?«
    »Dafür sorge ich schon.« Auf einmal klang Keirs Stimme so kalt, als wäre er ein völlig anderer Mensch, einer, dem die Barmherzigkeit eines Heilers fremd war und immer bleiben würde. »Diese Tat wird womöglich für alle Zeiten auf der Zufluchtsstätte lasten.«
    Raphael starrte durch die Glasscheibe. »Und sein Geist?«
    »Er ist noch jung.« Vielsagend sah er Raphael an. »Die Jungen sind unverwüstlich.«
    »Aber Narben bleiben zurück.«
    »Manchmal sind es genau diese Narben, die uns ausmachen.«
    Elena fragte sich, welche Narben der Sohn zweier Erzengel wohl davongetragen haben mochte und ob er ihr den Grund dafür eines Tages verraten würde. Doch sie würde ihn nicht drängen, denn sie wusste ganz genau, wie schmerzhaft alte Wunden sein konnten. Ein Jahr. Ein Jahrzehnt. In Herzenssachen hatte Zeit keine Bedeutung. Die Wunden, die ihr mit knapp zehn Jahren in jenem Vorstadthaus zugefügt worden waren, hatten unauslöschliche Narben in ihr hinterlassen. Und bei ihrem Vater ebenso, doch war er auf ganz andere Weise als sie damit umgegangen. Jeffrey Deveraux hatte sich entschlossen, seine Frau und seine beiden älteren Töchter aus seinem Gedächtnis zu streichen.
    Ihre Nägel gruben sich in ihren Arm, ohne dass sie es merkte. »Ich will versuchen, ob ich diesen Vampir nicht doch aufspüren kann.« Die Stadt war zwar groß, aber vielleicht hatte sie Glück – und es war allemal besser, als untätig herumzusitzen.
    »Ich komme mit dir mit«, sagte Raphael. »Mach’s gut, Keir.«
    Der Engel winkte ihnen zum Abschied kurz zu.
    »Besitzen eure Heiler besondere Fähigkeiten?«, fragte Elena.
    »Manche ja, andere ähneln in ihren Methoden eher menschlichen Ärzten.«
    »Dann müssen sie ja erlebt haben, wie sich die Geschichte

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