Gilde der Jäger: Engelsblut (German Edition)
Vorliebe für schöne Dinge « , sagte sie zu Raphael, als sie neben der knorrigen, alten Wurzel standen, über die sie vor Kurzem noch gesprungen war.
Raphael nickte langsam. »Und Illium ist ein Mann, den im Laufe der Jahre viele gern in ihrer Sammlung gehabt hätten .«
»Er weiß sich zu helfen, auch wenn er hübsch aussieht, der Überraschungseffekt ist auf seiner Seite .« Sie verschränkte die Arme und wandte sich dem Wesen zu, für das sie durch die Hölle gehen würde. »Und auch du bist um vieles stärker als damals, als sie dich zum letzten Mal gesehen hat – du kannst Illium erreichen .«
Raphael sah sie für einen langen, langen Augenblick an, bevor er die Hand hob und sie an ihre Wange legte. »Solches Vertrauen setzt du in mich, Elena ?«
Sie schloss die Finger um sein Handgelenk, spürte seinen Herzschlag stark und gleichmäßig unter ihrer Berührung. »Ich kenne dein Herz, Erzengel. Es gibt dir mehr Kraft, als du glaubst .«
Raphael spürte die Dringlichkeit in Elenas Worten, und eine Erkenntnis flackerte auf, die er jedoch nicht recht zu fassen bekam. Er wäre ihr zu gerne auf den Grund gegangen, doch die Erfahrung hatte ihn gelehrt, dass sich der Gedankensplitter dadurch nur noch weiter zurückziehen würde. Er ließ ihn für den Augenblick erst einmal los und konzentrierte sich auf die naheliegenden Tatsachen. »Sie hat Illium nicht ohne Grund geholt .«
In Elenas Augen glitzerte Verstehen auf, der schmale, silberne Ring leuchtete im gedämpften Licht des Waldes. »Eine Warnung .«
»Das wäre möglich .« Aber seine Mutter war nicht wie andere Mütter. »Oder sie ist ungeduldig geworden .«
»Sie will, dass du sie findest ?« Elena legte die Stirn in Falten und öffnete den Mund … doch die Worte sollten nie herauskommen, stattdessen schimmerten bereits die Messer in ihren Händen, als auch Raphael den Ankömmling hinter seinem Rücken spürte und sich umdrehte.
Eine Verschiebung in der Luft, als versuche etwas, Gestalt anzunehmen. Für den Bruchteil einer Sekunde dachte er, es wäre Caliane, doch dann verwandelte sich das formlose Etwas in einen Engel mit Haaren aus Eis und seltsam perlmuttfarbener Iris, die fast mit dem Weiß des Auges verschmolz und sie auf unheimliche Weise blind aussehen ließen. Zuletzt erschienen die Flügel, ein seidiges Taubengrau, das so exquisit war wie ihre Besitzerin gefährlich.
»Raphael .« Ihre Stimme hatte einen leichten Hall, wie er ihn schon früher gehört hatte, so als würden noch andere Stimmen in ihr sprechen, als würden Geister versuchen, nach außen zu dringen. Versuchen zu schreien.
»Was machst du hier, Lijuan ?«
Der Erzengel von China lächelte ein Lächeln, das nicht im Entferntesten von dieser Welt war. Was aus Lijuan geworden war, wozu sie sich »entwickelt « hatte, war ein Albtraum, den selbst der Kader nicht vollständig begreifen konnte. Doch Raphael tat es, denn er hatte als Kind dem Wahnsinn ins Gesicht gesehen, seine Berührung wie federleichte Finger auf sich gespürt … und wusste, dass er vielleicht eines Tages wie eine übermächtige Woge über ihm zusammenschlagen würde.
Elenas Flügel streifte den seinen in stummer Zärtlichkeit, als hätte sie seine Gedanken gelesen. Als würde sie ihn an ihr Versprechen erinnern.
»Ich werde dich nicht fallen lassen .«
Lijuans Blick fiel auf Elenas Flügel, und es lag eine Spur Habgier darin. Die Ältesten unter den Erzengeln hatten eine Vorliebe für das Exotische und Ungewöhnliche – leider neigten sie dazu, es als Trophäe an die Wand zu nageln. »Die Flügel deiner Jägerin sind außergewöhnlich. Einzigartig. Hast du das gewusst, Raphael? In all den Jahrtausenden meiner Existenz habe ich noch nie Flügel wie ihre gesehen … oder wie die des Jungen .«
Der »Junge « war Illium – und Lijuans Faszination für ihn ging so weit, dass Raphael stets darauf achtete, Illium so selten wie möglich in ihre Nähe zu lassen, und niemals alleine. »Du bist doch nicht gekommen, um über Flügel zu sprechen .«
»Doch, gewissermaßen .« Lijuan richtete ihre eigenen Flügel und sah sich mit den Augen, die wie blind aussahen, um. »Ich erinnere mich an diesen Ort. Es war ein uralter Schrein, den nur seine Anhänger kannten. Der Legende nach beteten sie einen schlafenden Drachen an .« Sie schüttelte den Kopf, und ihr Haar wurde von einem Windhauch zurückgeweht, der sonst nichts berührte. »Ich habe ihm nicht viel Aufmerksamkeit geschenkt .«
Denn eine Göttin hatte von den
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