Gilde der Jäger: Engelsblut (German Edition)
lenkte damit Raphaels Aufmerksamkeit wieder auf die unangenehme Aufgabe, die ihm bevorstand. »Sie war so schön .«
Schwach, dachte Raphael angewidert. Dieser Mann war so schwach, er hätte es niemals bis in den Turm schaffen dürfen, aber selbst Unsterblichen unterliefen manchmal Fehler. Ohne ein weiteres Wort richtete Raphael seine Kraft nach außen und zerquetschte dem Vampir den Brustkorb, sodass die Rippen seine inneren Organe durchbohrten.
Blut troff aus dem Mund des Mannes, und Raphael wusste, dass die Menschen außerhalb des Turms diese Bestrafung als barbarisch ansehen würden. Doch sie wussten nichts von dem Blutrausch, der dicht unter der Oberfläche so vieler Vampirgehirne lauerte, wussten nicht, wie einfach es für diese Monster wäre, sich zu befreien. Diese Verletzung würde spätestens in einem Tag verheilt sein. Die eigentliche Bestrafung stand ihm noch bevor. »Du wirst für die nächsten zehn Jahre in den Untergrund gehen .«
Panik stand in diesen Augen, ein Flehen, dem Raphael nicht nachgeben konnte, nicht, wenn er verhindern wollte, dass sich der Hudson in dunklem Rubinrot färbte. Er war ein Erzengel – selbst wenn jeder Vampir in der Stadt sich dem Blutrausch hingäbe, würde er die Situation innerhalb von Stunden wieder größtenteils unter Kontrolle bringen, doch dafür würde er Hunderte von Erschaffenen abschlachten müssen. »Geh .«
Der Vampir presste die Hände auf seine gebrochenen Rippen und verließ den Raum, wobei er verzweifelt versuchte, kein Blut auf das kostbare Weiß des Teppichs tröpfeln zu lassen. Raphael wandte sich zum Fenster. Das Urteil war gerecht, aber es würde den Verstand eines so schwachen Wesens, wie es gerade aus seinem Büro gekrochen war, wahrscheinlich zerstören. Jede mildere Strafe wäre eine Ermutigung für andere, die versuchen wollten, mich zu betrügen. Ohne es zu beabsichtigen, hatte er seine Gedanken nach außen an Elena gerichtet.
Raphael?
Ich habe ihn dazu verurteilt, lebendig in einer sarggroßen Kiste begraben zu werden, erklärte er seiner Jägerin mit dem Herzen einer Sterblichen. Er wird genug Nahrung bekommen, um am Leben und gesund zu bleiben, aber er wird zehn Jahre lang in dieser Kiste bleiben.
Erschrecken, Beunruhigung, Schmerz – die Abfolge ihrer Emotionen traf ihn wie eine Reihe von Schlägen.
Es tut mir leid, Raphael. Es tut mir leid, dass er dich in eine Situation gebracht hat, in der du diese Entscheidung treffen musstest.
Trotz ihrer Worte rechnete er damit, dass sie entsetzt von dem war, was er getan hatte, denn es war etwas Unvorstellbares für sie. Es war keine menschliche Bestrafung. Doch er hatte nicht bedacht, dass diese Frau ein Monster überlebt hatte und verstand, dass es manchmal keine leichten Entscheidungen gab. Komm nach deinem Gespräch mit Sara zu mir. Ich möchte dich in meine Arme nehmen.
Fünfzehn Minuten später sah er ein Flimmern von Mitternacht und Morgengrau am Horizont, als seine Gemahlin nicht weit vom Turm aus den Wolken fiel, gefolgt von Illiums unverkennbaren Schwingen. Der blau geflügelte Engel hatte eine unverhohlene Zuneigung zu Raphaels Jägerin gefasst, und er ließ ihn gewähren – würde ihn gewähren lassen … solange Illium nicht vergaß, dass Elena mit einem Erzengel vermählt war. Ich übernehme sie.
Sire. Der Engel drehte ab und flog in eine andere Richtung davon.
Warte. Ich habe heute eine Nachricht für dich erhalten.
Fragende Stille.
Der Kolibri möchte seinen Sohn sehen.
Stille. Solche Stille. Ich werde sie aufsuchen.
Nein, sie kommt nach New York.
Er spürte Illiums Schrecken. Seine Mutter, der Kolibri, verließ ihr abgeschiedenes Heim in den Bergen nur selten, und selbst dann nur, um die Zufluchtsstätte aufzusuchen. Wir werden ein Auge auf sie haben. Habe keine Angst.
Illiums Mutter hatte Raphael auf jenem verlassenen Feld gefunden, auf dem Caliane seinen Körper wie Glas zerschmettert hatte, und ihn von seinen quälenden Schmerzen befreit. Dadurch hatte sie sich Raphaels Loyalität verdient. Aber sie war noch weiter gegangen – sie hatte einem verletzten kleinen Jungen, dessen Welt zusammengebrochen war, unglaubliche Güte zuteilwerden lassen. Es gab kaum etwas, das Raphael nicht für den Kolibri getan hätte.
Sire, ich muss …
Geh nur, sagte Raphael, denn er wusste, dass der Engel Zeit brauchte, um diese Neuigkeiten zu verarbeiten. Sie wird in einer Woche eintreffen. Als er auf seinen privaten Balkon hinaustrat, wechselte er die mentale Verbindung und sagte:
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