Gilde der Jäger: Engelsblut (German Edition)
.« Sie fühlte sich fest an den Armen gepackt, der saubere, klare Geruch des Meeres drang ihr ins Bewusstsein. »Gildenjägerin .«
Die scharfen Worte durchbohrten die Überreste des Traums und rissen sie in die Gegenwart. »Es geht mir gut. Es geht mir gut .« Die Worte kamen stoßweise, abgehackt. »Es geht mir gut .«
Als sie versuchte aufzustehen, zog er sie in seine Arme. Sie wusste zwar nicht, was sie tun wollte, doch einschlafen konnte sie nie gut, wenn die Erinnerungen mit solcher Macht über sie hereinbrachen. »Ich muss … «
Er beugte sich über sie und hob die Flügel, um sie mit tiefer, dunkler Vertrautheit zu umhüllen. »Schhhh, Hbeebti .« Sein Körper lastete schwer auf ihrem und bildete einen undurchdringlichen Schutzschild gegen den sanft schwingenden Schatten, der sie die ganze Zeit verfolgte.
Als er den Kopf senkte und weitere leise, leidenschaftliche Worte in dieser Sprache flüsterte, die Teil des Vermächtnisses ihrer Mutter war, hob sie die Arme und schlang sie ihm um den Hals, um ihn mit sich herabzuziehen. Um in ihm zu ertrinken. Doch er stützte sich auf den Arm, damit er sie von oben betrachten konnte. »Erzähl es mir .«
Elena hatte seit dem Tag, an dem ihre Familie zerbrochen war, immer darauf geachtet, Beth immer wieder in den Arm zu nehmen, damit ihre jüngere Schwester nie diese Kälte zu spüren bekam. Sie selbst aber hatte niemanden gehabt, der sie umarmt hätte, niemanden, um den Eisblock zu zertrümmern, der ihr Inneres nach einem solchen Albtraum für Stunden einschloss. Daher dauerte es einige Zeit, bis sie sprechen konnte. Doch er war unsterblich, und Geduld war eine Lektion, die er schon vor langer Zeit gelernt hatte.
»Es ergab keinen Sinn « , sagte sie schließlich mit rauer Stimme, als hätte sie lange geschrien. »Nichts davon ergab einen Sinn .« Ihre Mutter hatte das, was sie getan hatte, nicht in der Küche getan. Nein, Marguerite Deveraux hatte das Seil säuberlich um das stabile Geländer des Zwischengeschosses geknotet. Ihr hübscher, glänzender Pumps war auf das Schachbrettmuster der schimmernden Kacheln in der Eingangshalle des Großen Hauses gefallen.
Mit seinem strahlenden Kirschrot hatte dieser Schuh Elenas Herz für den Bruchteil einer Sekunde mit Hoffnung erfüllt. Sie hatte gedacht, ihre Mutter wäre endlich zu ihnen zurückgekehrt, hätte endlich aufgehört zu weinen … endlich aufgehört zu schreien. Dann hatte sie hochgesehen und etwas erblickt, das nie wieder von der Leinwand in ihrem Kopf verschwinden sollte. »Es war einfach alles ein einziger Wirrwarr .«
Raphael sagte nichts, doch sie hatte keinen Zweifel daran, dass sie voll und ganz im Zentrum seiner Aufmerksamkeit stand.
»Ich hatte gedacht « , sagte sie und krallte sich an seinen Schultern fest, »dass die Albträume aufhören würden, nachdem ich Slater getötet hatte. Er wird nie wieder jemandem wehtun können, den ich liebe. Warum hören sie denn nicht endlich auf ?« Ihre Stimme zitterte, nicht vor Angst, sondern vor erdrückender, hilfloser Wut.
»Unsere Erinnerungen machen uns zu dem, was wir sind, Elena « , antwortete Raphael und zitierte damit sie selbst. »Selbst die dunkelsten von ihnen .«
Elena hatte ihm die Hand auf die Brust gelegt und spürte das Schlagen seines Herzens, stark, gleichmäßig, für alle Zeit. »Ich werde sie niemals vergessen « , flüsterte sie. »Aber ich wünschte, sie würden aufhören, mich zu verfolgen .« Als sie diese Worte aussprach, kam sie sich wie eine Verräterin vor. Wie konnte sie es wagen, sich so etwas zu wünschen, während der Albtraum für Ari und Belle zur Realität geworden war? Während ihre Mutter ihm nicht hatte entkommen können?
»Das werden sie .« In seiner Stimme lag Gewissheit. »Das verspreche ich dir .«
Und da er noch nie ein Versprechen gebrochen hatte, das er ihr gegeben hatte, ließ sie zu, dass er sie den Rest der Nacht in seinen Armen hielt. Die Morgendämmerung kroch auf zarten Fingern aus Gold und Rosa ins Zimmer, als das süße Nichts des Schlafs sie empfing.
Doch der Frieden währte nicht länger als einen Wimpernschlag, jedenfalls kam es ihr so vor.
Elena. Eine Welle schlug in ihrem Kopf zusammen, eine neue Sturmbö.
Schlaftrunken blinzelnd schlug sie die Augen auf und stellte fest, dass sie allein in dem von der Sonne geküssten Bett lag. Der Regen hatte sich verzogen, und der Himmel jenseits der Fenster war zu einem umwerfenden Azurblau aufgeklart. »Raphael .« Ein Blick auf die Nachttischuhr
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