Gilde der Jäger: Engelsdunkel (German Edition)
dass sie sicher war, der Erzengel müsse es hören. Jeder der stakkatoartigen Schläge traf auf ihre gebrochenen Rippen, aber der Schmerz wurde von einer grausamen Erkenntnis überlagert.
Hier. Sie war die ganze Zeit über hier. Es war eine Totenklage.
Sie ist nicht mehr hier. Erinnere dich.
Grimmig brachte sie ihren Kummer unter Kontrolle, suchte Schutz in Jasons innerer Stärke und folgte ihm und Neha die Treppe hinunter. Der Gang, in den sie gelangten, wurde von modernen elektrischen Glühbirnen in Wandleuchtern erhellt, die ein warmes Licht auf die Steinwände warfen. Viele waren durchgebrannt, wieder andere waren von Spinnweben umhüllt, ein stummes Zeichen dafür, wie lange es her war, seit jemand durch diesen Korridor gegangen war. Nach etwa dreißig Metern legte Neha eine weitere Treppe frei, die noch tiefer unter die Erde führte.
Hier gab es nur nackte Glühbirnen, der Gang selbst bestand aus festgestampfter Erde … und der einzige Raum ganz am Ende war nichts als ein Loch in der Erde. Kreuzweise angebrachte Gitterstäbe verbargen den düsteren Bereich dahinter. Mit einer schnellen Handbewegung ließ Neha ihre Macht wild auflodern, um die Zelle damit zu erleuchten.
Sie war leer.
Mahiya schwankte und wäre gestürzt, wenn Jason nicht ihre Hand ergriffen hätte.
Mahiya.
Alles in Ordnung. Luft füllte ihre Lungen, als sie tief einatmete und zu verstehen versuchte, was sie gerade gesehen hatte: das geschmolzene Metall, wo wahrscheinlich die Fesseln an der Wand gehangen hatten, die Brandspuren, von denen das Loch in den Gitterstäben umgeben war. Wer auch immer ihre Mutter gerettet hatte, er musste sie mit einem Schweißbrenner befreit haben. Versprochen.
Ehe Neha sich umdrehen konnte, ließ er sie los. Wie schwer bist du verletzt?
Es heilt schon. Es ist nur … dieser Ort.
Fast hatte sie befürchtet, sie hätte sich geirrt und ihre Mutter würde noch immer an diesem albtraumhaften Ort gefangen gehalten. Ein Geschöpf des Himmels, so lange in der Dunkelheit eingesperrt … Ihre Flügel müssen unbrauchbar geworden sein, also kann sie nicht hinausgeflogen sein. Das bedeutet auch, dass ihre Rettung viel länger als sechs Monate zurückliegen muss. Wenn ich wetten müsste, würde ich sagen, es geschah, als Raphael Uram hingerichtet hat. Auf der Welt herrschte Chaos, und Neha musste die Festung oft verlassen, um Angelegenheiten des Kaders zu regeln.
Ein Zornesschrei barst durch die Stille, als Neha in einem Wutausbruch herumfuhr, bei dem eine Wand mit Eis und die andere mit Feuer überzogen wurde. Mahiya konnte den sengenden Flammen gerade noch ausweichen … doch dabei trat sie Neha direkt unter die Augen. Der Erzengel fixierte sie mit seinem Blick, so kalt wie die Hölle, und Mahiya wusste, dass sie tot war.
Etwas Schwarzes schob sich in ihr Blickfeld, bis sie außer Jasons Flügeln nichts mehr sah.
Nein, Jason, nein! In dieser Verfassung würde Neha alles andere vergessen und ihn einfach töten.
»Die Information«, sagte er, während Mahiya versuchte, ihre Schultern zu straffen und ihn aus der Gefahrenzone zu schieben. »War sie den Preis wert?«
Eine frostige Stille, während der das Eis Sprünge bekam und ihnen vor die Füße fiel und die Flammen an den Wänden leckten und sie versengten. Die einzige Glühbirne, die nicht zerstört worden war, erhellte den Gang nur schwach. Diesmal war Nehas Lachen so unmenschlich, dass sich in Mahiyas Magen die Galle sammelte, und doch lag eine gewisse Erheiterung darin.
»Jetzt verstehe ich, Jason. Du hast eine Schwäche für verletzte Vögelchen, und sie würde eine hübsche Geisel abgeben.« An dieser Rechtfertigung schien Neha Gefallen zu finden. »Also gut, du hast den Blutschwur auf bewundernswerte Weise erfüllt. Nimm dieses verletzte Vögelchen. Behalte es, sperre es in einen sicheren Käfig, es spielt keine Rolle mehr. Ich brauche keine Geisel, wenn ich meiner geliebten Schwester mit bloßen Händen alle Glieder einzeln herausreißen kann.«
Beinahe hätten Mahiyas Knie nachgegeben, nur Jasons Griff hielt sie aufrecht. Ich bin frei … und meine Mutter wird bald sterben.
37
Dmitri regelte noch so viele der Angelegenheiten für den Turm wie möglich, wie aus der Entfernung möglich war. Dazu gehörte auch, dass er einen hochrangigen Engel außer Landes schicken musste, um sich einen anderen Engel vorzunehmen, der sich einen vom Turm unabhängigen Machtbezirk schaffen wollte.
Nachdem das erledigt war, sprach er mit Illium. »Gibt es sonst noch
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