Gilde der Jäger: Engelsdunkel (German Edition)
wie zugeschnürt.
»Du hast ihnen eine reelle Chance gegeben.« Unter ihnen spritzten Feuerwehrwagen Wasser auf noch brennende Gebäude und Menschen rannten zum See, um eine Eimerkette zu bilden.
Jasons Gesicht wirkte angespannt, als er sich ihr zuwandte. »Schieß weiterhin auf jeden, der sich dir nähert, und warte auf mein Signal.« Damit flog er senkrecht nach oben, um in der Mitte über den beiden gegnerischen Frauen zu schweben.
Mahiya vertraute seinen Fähigkeiten als Krieger, also widersprach sie nicht. Sei bitte vorsichtig. Ein einziger Treffer, sei es von der Giftpeitsche oder dem giftgrünen Netz ihrer Mutter, und er würde in den Tod stürzen. Aber er zuckte nicht einmal zurück, als die Zwillinge erneut zuschlugen und die Spitzen seiner Flügel nur um wenige Zentimeter verfehlten. Als Nivriti wieder zu Kräften gekommen war und zu einem neuen Schlag gegen Neha ausholte, gab ihr Arm nach und das Netz wurde in Jasons Richtung abgelenkt. Er wehrte es mit einem Band aus schwarzem Feuer ab, das wie eine Verlängerung seines Schwerts aussah.
Jetzt, Prinzessin, sagte er. Ihr Titel klang wie eine Liebkosung. Fürs Erste haben sie ihre Energie verbraucht.
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Mit kräftigen Flügelschlägen zog sich Mahiya in die Höhe, wobei sie darauf achtete, stets auf der Seite ihrer Mutter zu bleiben, um Neha kein leichtes Ziel zu bieten. Kaum wahrnehmbar nickte Jason ihr zu, als sie ihn erreichte, und sie wusste, dass er ihr damit die Führung überließ, weil sie die Akteure viel besser kannte als er.
»Du zerstörst die Stadt«, sagte sie zu Neha. »Du tötest dein eigenes Volk.«
Nehas Flügel leuchteten noch immer, als sie den Blick nach unten richtete, die Stirn runzelte und dann eine Bewegung aus dem Handgelenk machte. Eine dünne Eisschicht legte sich über die Stellen, an denen sich das giftige Grün von Nivritis Netzen durch Dächer und Wände fraß … und durch Lebewesen. Es gefror und schien dann in ungefährliche Bruchstücke zu zerfallen. Wieder machte Neha eine Handbewegung, doch die Feuer, die Jason nicht erstickt hatte, brannten weiter. Offenbar hatte der Erzengel seine Fähigkeit, Eis zu erschaffen, aufgebraucht.
Nicht nur Erschöpfung zeigte sich jetzt bei den beiden Frauen.
Auf Nehas Flügeln und Körper hatte die Säure offene Wunden hinterlassen, ihre Wange war an einer Seite aufgerissen, sodass der Kieferknochen zu sehen war. In ihrem linken Flügel klaffte ein handtellergroßes Loch, das die meisten Engel flugunfähig gemacht hätte. Unterdessen lief Nivriti fast schwarzes Blut aus Nase und Ohren und sogar aus den Augenwinkeln. Das Gift in ihrem Blutkreislauf griff sie von innen her an.
»Deine Streitkräfte sind stark geschwächt«, sagte Mahiya zu ihrer Mutter. Sie wollte Nivriti dazu bringen, sich umzudrehen, damit sie sah, wie viele ihrer Krieger tot oder schwer verletzt waren. »Und du verlierst an Kraft.«
Nivritis Hand schoss hervor. Die geplatzten Äderchen in ihren Augen färbten ihren Blick blutrot. »Aus dem Weg, mein Kind.«
»Ich bin hier nicht das Kind.« Mahiya behielt ihre Position bei und sprach nun zu beiden zugleich. »Ihr seid in einer Pattsituation, und schon bald werdet ihr auf dem Boden miteinander ringen, während die Sterblichen euch zusehen, als wärt ihr eine Zirkusnummer.«
Erstarrte Stille bei Neha und Nivriti.
Dann brach ihre Mutter in ein manisches Freudengelächter aus. »Das wäre deiner viel gerühmten Würde sicherlich nicht zuträglich, liebste Schwester.«
»Zu dir hingegen würde es vortrefflich passen«, war Nehas schneidende Antwort. Furchen des Schmerzes umrahmten Nehas Mund, als eine kleinere Sehne in ihrem Flügel zu reißen drohte. »Du warst doch schon immer auf den großen Auftritt aus.«
Nivriti zuckte die Schultern und wischte sich mit dem Ärmel die blutende Nase ab. »Wenigstens bin ich nicht auf die große Inszenierung hereingefallen und habe einen Mann zu meinem Gemahl erwählt, der mich nicht liebte.«
»Nein, du hast nur sein Kind ausgetragen und bist ihm treu geblieben, während er es wie ein Karnickel getrieben hat.«
Mahiya hatte das befremdliche Gefühl, in ein Geplänkel unter Geschwistern geraten zu sein, nur dass dieses Geplänkel bereits Hunderte, Tausende das Leben gekostet hatte. »Mein Vater«, sagte sie mit der Absicht, diesen emotionsgeladenen Dialog aus der Spur zu bringen, »war so schön, dass er ein Herz aus Stein hätte verzaubern können. Aber er war nicht stark genug, er war eurer beider nicht
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