Gilde der Jäger: Engelsdunkel (German Edition)
hauchzart … und es lag eine schrille Note darin. »So ehrlich, und zugleich ist es eine geschickte Lüge, nicht wahr? Ein Meisterspion darf nie alles preisgeben.«
Jason schwieg. Er hatte keinerlei Interesse daran, auf ihr Spielchen einzugehen.
»Komm«, sagte sie. In ihrem strahlenden Lächeln lag die Anerkennung einer Unsterblichen, die nur selten einen geistigen Wettstreit verliert und gerade zum ersten Angriff übergegangen war. »Es ist Zeit, dass du die Person kennenlernst, der du Blutstreue schwören wirst. Alles ist für die Zeremonie bereit.«
Während sie sich auf den Weg dorthin machten, legte Jason ihr seine einzige Bedingung dar. Zu seiner Überraschung erhob Neha nicht nur keine Einwände gegen die Dauer des Schwurs, sondern begrüßte die Abmachung sogar.
»Du bist zu gefährlich für Mahiya.« Im Tonfall des Erzengels lag eine undurchdringliche Dunkelheit. »Das arme Kind würde vermutlich vor Angst sterben, wenn sie nicht wüsste, dass sie bald wieder von den Ketten befreit sein wird, die sie an dich schmieden.« Lautlos wie ein Geist flog eine große Eule dicht über den offenen Korridor hinweg, den sie entlanggingen, doch Neha schenkte ihr keinerlei Beachtung. »Mahiya ist nicht in der Lage, eine solche Bürde lange zu tragen.«
Wieder schwieg Jason. Die Prinzessin hatte auf ihn nie schwach gewirkt, aber er hatte immer nur flüchtige Blicke auf sie erhaschen können. Sie bekleidete keine Machtposition am Hof und stand nicht im Mittelpunkt irgendwelcher Intrigen, weshalb sie für einen Meisterspion kaum interessant war. Und doch wusste er, dass all das eine geschickte Täuschung und Mahiya eine gut getarnte Waffe sein konnte. Es erschien wenig sinnvoll, eine zerbrechliche »Zierde« damit zu beauftragen, einen feindlichen Meisterspion im Auge zu behalten.
Andererseits war es möglich, dass Mahiya die einzig verfügbare Option war – der einzige bekannte direkte Nachkomme aus Nehas uralter Blutlinie, der noch lebte und nicht an einen Partner gebunden war.
Während er in Gedanken alles durchging, was er über die Prinzessin wusste, fielen ihm die livrierten und bewaffneten Wachen auf, die sich hinter den kannelierten Steinsäulen verbargen. Er registrierte die moderne Beleuchtung, die so angebracht worden war, dass sie sich perfekt in das jahrhundertealte Gebäude einfügte. Liebreizende ranke und schlanke Hofdamen, die einen nächtlichen Spaziergang unternahmen, verbeugten sich vor ihnen, als Neha ihn nicht etwa in die Gärten führte, sondern eine Etage höher in den Innenhof der vierten Ebene der Festung.
Da der kostbare Palast auf der höchsten Ebene nur von Hausgästen vom Rang des Kaders genutzt wurde und sich sonst bis auf die Wachpatrouillen niemand hier aufhielt, war dies der abgelegenste Ort in der ganzen Festung. Die Mauern fielen zu beiden Seiten hin steil ab. Einige Bereiche jedoch waren neuer als der Rest des Bauwerks, denn auf dieser Ebene war die ursprüngliche Konstruktion vor etwa dreihundert Jahren verändert worden.
Im Zentrum des Innenhofs stand ein Pavillon, dessen Dach von zierlichen Säulen getragen wurde. Er selbst war unverändert geblieben, doch um ihn herum waren Gärten in Form einer einzigen, stilisierten Blume angelegt worden. Jedes der »Blütenblätter« war mit unterschiedlichen Blumen bepflanzt. Von irgendwoher erklang die sanfte Musik eines Springbrunnens, aber Jason konnte ihn nicht auf Anhieb entdecken – bis er erkannte, dass das Wasser in Kaskaden an den erhöhten Seiten des Pavillons hinunterfloss und durch schmale Kanäle rann. So konnten die Gärten trotz des Wüstenklimas, das in diesem Teil von Nehas Territorium herrschte, gedeihen.
Wo der Innenhof einst von untereinander verbundenen Gemächern umgeben gewesen war, gab es nun zwei getrennte Paläste – einen auf der Seite, die den zerklüfteten Bergen zugewandt war, und einen, von dem aus man die Stadt überblicken konnte. Die beiden anderen Seiten schienen Teil der älteren Architektur zu sein. Doch nun waren beide Gebäudegruppen und die Paläste voneinander getrennt, und es gab keine Verbindung mehr zwischen den Gemächern.
Der gesamte Bereich stand unter schwerer Bewachung.
Die Wachen verneigten sich nicht, als Neha vorüberging, ihre volle Aufmerksamkeit galt ihrer Aufgabe. Nehas Sari flüsterte im Wind, und sie hielt die Flügel sorgsam über den sauberen Steinen des Weges hoch, der zu dem von Laternen erleuchteten Pavillon führte. Die offenen Seiten waren mit Vorhängen aus
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