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Gilde der Jäger: Engelsdunkel (German Edition)

Gilde der Jäger: Engelsdunkel (German Edition)

Titel: Gilde der Jäger: Engelsdunkel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nalini Singh
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mitternachtsgleiches Haar sorgfältig zu einem Zopf gebunden trug und offenbar keine Angst vor dem Zorn eines Erzengels hatte. Als ob Letzteres nicht schon interessant genug gewesen wäre, trug er auf seiner linken Gesichtshälfte eine komplizierte Tätowierung, deren Tinte sich tiefschwarz vom warmen Braun seiner Haut abhob. Zu gern hätte sie gewusst, welche Geschichte die verschlungenen Linien erzählten, doch instinktiv wusste sie, dass er sie nicht preisgeben würde.
    Sein Gesicht selbst war eine Mischung aus verschiedenen Kulturen, der Pazifikraum und Europa hatten sich in ihm vereinigt und eine männliche Schönheit erschaffen, die ebenso herb wie unwiderstehlich war.
    Raphaels Meisterspion.
    So hatte Neha ihn genannt. Eine knappe Beschreibung, die jedoch ebenso viel verhüllte, wie sie verriet. Er war so lautlos, dass sie sich allein geglaubt hätte, wenn sie ihn nicht aus den Augenwinkeln gesehen hätte. Jason besaß die Gabe, zu einem Schatten zu werden und sich ungesehen und unerkannt zwischen den dunklen Geheimnissen des Kaders zu bewegen.
    Doch er war kein simpler Spion, der beobachtete und berichtete. Er gehörte zu Raphaels Sieben, jenem engmaschigen Verbund von Engeln und Vampiren, über den Mahiya nur wenig bekannt war. Sie wusste nur, dass diese sieben unglaublich starken Männer ganz aus freien Stücken beschlossen hatten, sich in Raphaels Dienste zu begeben – und dass Raphael ihre Loyalität erwiderte.
    »So mächtig ist Jason.«
    Diese Worte hatte Neha gemurmelt, nachdem Jason eingewilligt hatte, in ihre Festung zu kommen und Mahiya den Blutschwur zu leisten. Und dann hatte der Erzengel noch etwas anderes gesagt, den Mund zu einem giftigen Lächeln verzerrt.
    »Raphaels Turm wird schwer angeschlagen sein, wenn der Meisterspion seine Gefolgschaft wechselt. Und das wird er … denn ich kann Jason etwas bieten, mit dem Raphael niemals mithalten kann.«
    Mahiya interessierte sich nicht für Nehas rachsüchtige Spielzüge. Ihr Interesse galt nur dem kalten, pragmatischen Kontrakt hinter dem zeremoniellen Schwur, den Jason ausgesprochen hatte. Tief in ihrem Inneren saß die eisige Entschlossenheit, diese Aufgabe zu erfüllen, ohne die Maske harmloser Anmut fallen zu lassen, die ihre wirksamste Waffe war. Niemand sah eine Bedrohung in ihr, und auch der Meisterspion würde es nicht.
    Als sie die Torbögen vor dem hochgelegenen, innersten Kern des Palasts erreichten, nahm sie sich die Zeit, die hauchdünnen, flatternden Vorhänge in Bernstein- und Goldtönen an den Seiten festzubinden, bevor sie Jason mit einer Handbewegung bedeutete hineinzugehen.
    Jason blieb stehen.
    »Ich möchte Sie nicht in meinem Rücken haben.«
    Ein Prickeln in ihrem Nacken sandte ihr eine Warnung zu vor tödlicher Gefahr, doch sie ignorierte sie und ging voran in das hallende Zentralgemach, das sich bis zum Dach hinauf erstreckte. Von dem Gestank drohte sich ihr der Magen umzudrehen, aber dank unerbittlicher Entschlossenheit und Übung brachte sie den Würgereiz unter Kontrolle – nach Eris’ Ermordung hatte Neha sie stundenlang im Palast zurückgelassen, um ihm »Gesellschaft zu leisten«.
    »Schließlich war er dein Vater. Ich gebe dir Zeit, dich von ihm zu verabschieden.«
    Ausnahmsweise hielt Mahiya diesen Befehl nicht für eine absichtliche Grausamkeit – Neha selbst war ebenfalls zurückgekehrt und hatte bis eine Stunde vor Jasons Ankunft neben der Leiche gesessen und mit den Fingerspitzen Eris’ Haare gestreichelt. Die tiefe Mahagonifarbe war seit Kurzem von helleren Strähnen durchzogen, nachdem Neha ihm neuerdings gestattet hatte, viel Zeit unter der sengenden Sonne im Innenhof zu verbringen.
    »Er ist ein Geschöpf der Sonne, geboren auf einer Felskuppe hoch über dem Mittelmeer.«
    Doch in diesem fenster- und lichtlosen Zimmer, dessen Marmorboden mit einem dicken Teppich voller goldener und bernsteinfarbener Wirbel bedeckt war, hatte Eris die meiste Zeit verbracht. Der Kronleuchter an der Decke war ein Meisterwerk, das den gesamten Raum in glitzerndes Licht tauchte, das innere Feuer der Karneole in den Wänden erstrahlen ließ … und das kristallisierte Blut auf dem Boden mit Übelkeit erregender Schönheit zum Funkeln brachte.
    Dieses Blut war von dem breiten Diwan getropft, auf dem Eris so oft ironisch »Hof gehalten« hatte, wenn Mahiya mit einer Nachricht zu ihm gekommen war. Ein umgekipptes Glas Rotwein hatte einen hässlichen Fleck auf den Farbwirbeln des Teppichs hinterlassen, und ein halb leerer Teller

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