Gilde der Jäger: Engelsdunkel (German Edition)
ich gedacht, aber schön und mit solch männlichem Charme. Unsere Wege kreuzten sich erst wieder, als ich Erzengel geworden war und Eris ein eleganter und selbstsicherer Mann.«
Im nächsten Augenblick fuhr ein heißer Wüstenwind über sie hinweg und unterbrach Nehas Tagtraum. »Hast du je geliebt, Mahiya?«
Da sie wusste, was auf sie zukam, versteifte sich ihr Rücken. »Nein.«
»Nicht einmal Arav?«
Da war er, dieser Schlag sollte sie an eine Demütigung erinnern, die ihr junges Herz gebrochen hatte und ihre heranwachsende Seele beinahe zerstört hätte. »Damals war ich ein Kind. Was wusste ich schon von Liebe?« Aber sie hatte gelernt, dass man schönen Worten nicht trauen durfte – und dass sie eine Stärke in sich trug, von der sie vorher nichts geahnt hatte.
»Meine Tochter ist tot«, sagte Neha ohne ersichtlichen Zusammenhang, »und auch mein Ehemann und Gefährte. Manche würden sagen, ich werde für das bestraft, was ich dir und deiner Mutter angetan habe.« Dunkle Augen richteten sich auf Mahiyas Gesicht. »Glaubst du, dass ich bestraft werde, Mahiya?«
Wenn du es glaubst. Denn für dein Karma bist du selbst verantwortlich.
»Es steht mir nicht zu, so etwas zu glauben, Mylady.« Mahiya musste alle Kräfte aufbieten, die sie in den Jahren bei Hofe erworben hatte, um ihre Gedanken zu verbergen und ihre Stimme ausdruckslos klingen zu lassen. »Ich bin nur dankbar dafür, dass Sie so gütig waren, mir ein Zuhause zu geben.«
Nehas Mundwinkel hoben sich, aber das Eis in ihrem Blick schmolz nicht. »Hübsche Worte. Vielleicht erweist du dich letzten Endes doch noch als interessant.« Mit einer kleinen Bewegung ihrer schlanken Hand ließ der Erzengel sie wissen, dass sie entlassen war.
Mahiya folgte dem Weg über die Befestigungsmauern, bis sie zu den Stufen gelangte, die in den weitläufigen Haupthof führten – erbaut zu einer Zeit, als militärische Bodentruppen noch auf Elefanten ritten. Langsam und anmutig schritt sie hinab, obwohl sie nichts lieber getan hätte, als die Flügel auszubreiten und in die Berge zu fliegen. Diese lebensgefährliche Option würde sie sich bis ganz zum Schluss aufbewahren, wenn ihr keine andere Hoffnung mehr blieb.
»Ja. Du bist wichtig.«
Sie schloss Jasons Worte ganz fest in ihrem Herzen ein – nicht willens, gegen ihren instinktiven Glauben an seine Integrität anzukämpfen – und überquerte gemessenen Schrittes den Steinboden des Innenhofs. Auf dem offenen Platz, an dessen Begrenzungen nur einige Miniaturbäume in großen Kübeln wuchsen, konnte sie an die hundert Blicke auf sich spüren, Blicke von Wachen, Höflingen und Dienern.
Sie grüßte alle, die auch sie grüßten, blieb aber bei niemandem stehen … bis ihr ein großer, gut aussehender Engel mit tiefdunkler Haut und rauchig grauen Augen in den Weg trat. Seine Flügel waren braun marmoriert, zwei Nuancen heller als seine Haut. Und da begriff Mahiya, warum Neha den Mann erwähnt hatte, der sie ihre erste und dauerhafteste Lektion in Sachen Liebe gelehrt hatte.
17
»Mahiya, meine Liebe.« Arav machte Anstalten, ihre Hand zu ergreifen, um sie an seine Lippen zu führen. Das konnte sie jedoch verhindern, indem sie sich in eine kleine Verneigung flüchtete, bei der sie die Hände zum Gruß vor der Brust zusammenlegte.
»Sir«, sagte sie, und sie meinte es als Beleidigung. »Ich wusste nicht, dass du Lady Neha besuchst.«
»Natürlich besuche ich sie.« Ein charmantes Lächeln, das Mahiya einst hatte glauben lassen, es sei nur für sie bestimmt.
Jetzt traute sie dem Lächeln keines Mannes mehr … dafür entwickelte sie Vertrauen zu einem Mann, der überhaupt nicht lächelte. Es war ein Ding der Unmöglichkeit, und doch war es so. Sie hatte mehr Vertrauen zu einem feindlichen Meisterspion als zu irgendjemandem sonst an diesem Ort. Jasons Worte mochten düster und oft grausam sein, aber es waren niemals Lügen, eingehüllt in eine beißende Süße, die einen zerfressen konnte.
»Wir sind alte Freunde.« Arav sah zu Neha empor, die auf der Befestigungsmauer stand und auf die Stadt hinabblickte. »Und auch dich, meine Lieblingsgeliebte, habe ich seit vielen Jahren nicht mehr gesehen.«
»Ich bin nicht mehr deine Geliebte, schon seit Jahrhunderten nicht mehr.« Beschämt dachte sie daran zurück, wie sie ihm gestattet hatte, ihr die Unschuld zu rauben – mit einer Befriedigung, die sie damals für Fürsorge gehalten hatte. »Ich wünsche dir einen schönen Aufenthalt, aber ich muss weiter.«
Als sie
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