Gilde der Jäger: Engelsdunkel (German Edition)
Verhungerns zurückgeführt werden zu können. Und da wusste er es. »Du warst nicht allein in diesem Raum, nicht wahr?«
Tränen traten ihr in die Augen, sie biss sich auf die Unterlippe und schüttelte den Kopf. Er ließ ihr Handgelenk los und schloss sie fest in die Arme. Doch die Prinzessin schluchzte nicht. Stoßweise atmend sagte sie: »Es waren so viele. Grubenottern und Speikobras, Klapperschlangen und Taipane.«
Giftschlangen.
Ihr Gift konnte einen ausgewachsenen Engel ihres Alters nicht töten, aber es konnte qualvolle Schmerzen, Krämpfe und sogar vorübergehend Blindheit und Lähmungen auslösen. »Sag mir eines.« Er umfasste ihren Kopf und drückte seine Wange an ihre Schläfe.
»Ja?«
»Wenn du Neha töten könntest, würdest du es tun?« Ein Meisterspion wusste eine ganze Menge, zum Beispiel, wann ein Erzengel am verwundbarsten für einen Angriff seiner Feinde war.
Mahiya schüttelte den Kopf. »Nein.« Sie hob den Kopf, um ihm in die Augen zu sehen, und flüsterte: »Wenn ich mir das zum Ziel setze, werde ich genau wie sie – eine Frau, die vom Hass getrieben ist und deren innere Bitterkeit sich auf alles überträgt, was sie berührt.«
Anoushka war nicht von ganz allein zu dem geworden, was sie war.
»Meine Rache wird sein, dass ich ein Leben voller Glück führen werde«, gelobte Mahiya. »Ich werde in Liebe ertrinken, nicht in Hass.«
In diesem Moment, als ihre Augen in ihrem goldbraunen Gesicht glühten, war sie die schönste Frau, die er je gesehen hatte. Er wusste auch, dass sie zu zart für ihn war und dass die schwarze Leere, die er in sich trug, sie zerstören konnte. Und dennoch sagte er: »Heute Nacht wird der Himmel klar sein. Willst du mit mir fliegen?«
Ihr Lächeln wurde strahlend, und furchtlose Freude löschte ihre Angst aus.
Mit bleierner Langsamkeit krochen die Stunden dahin. Jason verfolgte alle Schritte, die sie auf der Suche nach dem Mörder unternommen hatten, noch einmal zurück. Am verblüffendsten fand er im Nachhinein die Befragung der Wachen, die während Eris’ Ermordung vor dessen Tür gestanden hatten. Als Jason Neha für die Mörderin gehalten hatte, hatte ihn ihre Aussage, sie habe die Gedanken der Wächter bloßgelegt und nichts gefunden, nicht überrascht.
Er hatte nicht gewusst, dass sie es wörtlich gemeint hatte.
»Ich kann mich nicht erinnern«, sagte der erste Wachposten, ein gequälter Ausdruck lag auf seinem Gesicht. »Damals war es mir nicht bewusst, aber als man mich später danach fragte, wurde mir klar, dass ich mich an einige Stunden in jener Nacht nicht erinnern kann.«
Der zweite Wachmann erzählte die gleiche Geschichte.
Jason wusste, dass Venom andere hypnotisieren konnte – diese Fähigkeit hatte der Vampir während seiner Wandlung von Neha erworben.
»Kennst du noch jemanden, der diese Gabe besitzt?«, fragte er Mahiya an diesem Abend.
»Sie liegt in der Familie«, erwiderte sie. »Es heißt, meine Mutter habe sie gehabt, ebenso wie Neha, obwohl sich ihre sonstigen Fähigkeiten stark unterschieden. Ich habe sie nicht geerbt, Anoushka aber schon. Nehas Stammbaum ist sehr alt – und nach Anoushkas Tod sind mir keine weiteren direkten Nachfahren bekannt, aber unter den Älteren gibt es einige, die vor ihr da waren und nicht schlafen.«
Jason führte ein paar Telefonate, um diese Vorfahren aufzuspüren. »Es besteht nur eine entfernte Verwandtschaft, und sie sind alle zu schwach, um auch nur Shabnam umgebracht haben zu können.« Die Hofdame war nicht unbedingt mächtig gewesen, aber wie alle Höflinge hatte sie über ein gewisses Maß an Kräften verfügt.
Mahiya runzelte die Stirn. »Sonst fällt mir niemand ein, von dem diese Gabe bekannt ist, aber manche Engel machen aus ihren Kräften ein Geheimnis.«
Ja, dachte Jason, ganz besonders, wenn die Auswirkungen der Kaskade sich auch außerhalb des Kaders zeigten. »Hast du etwas herausgefunden?« Die vergangenen Stunden hatte sie damit verbracht, sich durch den Irrgarten der nachmittäglichen und frühabendlichen Veranstaltungen bei Hofe zu lavieren.
»Eine gewisse Unruhe«, sagte sie. »Jeder befürchtet, er oder sie könnte das nächste Ziel sein, und einige schmieden Pläne, die Festung zu verlassen, aber das ist nur heiße Luft. Einem Deserteur würde Neha nie verzeihen, und sie sind zu sehr von sich eingenommen, als dass sie ihren Platz am Hof riskieren würden.« Sie stieß den Atem aus und rieb sich mit den Fingerspitzen die Stirn. »Von diesen Ungereimtheiten bekomme
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