Gildenhaus Thendara - 7
mit seinem Freund an dem anderen Tisch als mit Marisela getanzt hätte. Ihr war aufgefallen, daß sie Hand in Hand dagesessen hatten. Aber zusammen tanzen durften sie nicht. Wie merkwürdig und wie traurig, daß auch in dieser Nacht, die so vieles erlaubte, Männer immer noch größeren Beschränkungen unterworfen waren als Frauen. Sie selbst durfte in der Öffentlichkeit Hosen tragen, und als Entsagende tat sie es auch. Ließe sich dieser Mann in Röcken blicken und er machte den Eindruck, als würde er sich darin wohler fühlen und besser aussehen - würde man ihn lynchen. Wie dumm doch die Leute waren!
Camilla fragte: „Willst du mit mir tanzen, Margali?” und Magda zögerte. Sie hätte es gern getan. Aber sie brachte es nicht fertig, vor diesen Männern, die ihr Mitleid erweckten, mit Camilla zu tanzen. Darrell verbeugte sich erwartungsvoll, und Camilla gab ihr verständnisvoll einen Schubs.
„Geh und tanze, Kind”
Widerstrebend - sie wünschte, Camilla hätte es ihr verboten! - entfernte sie sich. Es war ein Paartanz. Wenn nur Darrell nicht von ihrer gemeinsamen Kindheit in Caer Donn anfing! Er hatte sie als
Tochter des terranischen Gelehrten Lorne gekannt, und sie wollte nicht, daß das gerade jetzt zur Sprache kam. Doch offenbar hatte er ganz andere Dinge im Sinn. Er war ein guter Tänzer, aber er zog sie ein kleines bißchen zu eng an sich. Sie hätte ihm einen zweiten Tanz gern verweigert, nur waren sie gerade am anderen Ende des Platzes, und sie wollte auch nicht unfreundlich sein. Es war sehr warm; eine solche der Jahreszeit nicht entsprechende Hitze kündigte in Thendara immer ein schweres Unwetter an. Schon roch die Luft nach der Morgendämmerung. Als der zweite Tanz zu Ende war, sah Magda, daß die Musiker ihre Gläser leerten und ihre Instrumente einpackten. Darrell steuerte sie auf einen dunklen Torweg zu und berührte ihre Lippen. Sie protestierte nicht - ein Kuß nach einem Tanz verpflichtete sie zu gar nichts. Aber als er versuchte, sie in die Arme zu nehmen und murmelte: „Ich möchte diese Nacht nicht allein beschließen”, schob sie ihn weg.
„Alle um uns, alle Männer und Frauen erweisen der Liebe der Götter ihre Ehrerbietung…”
Nein. Das war zu viel. Dieses Mittsommerfest hatte ihr von diesen Dingen schon mehr gebracht, als sie hatte haben wollen. Sie würde sich ihm auf gar keinen Fall hier im Freien hingeben, wie es einige der Frauen taten, die sich in der Freiheit dieser Nacht kaum die Mühe machten, Deckung vor den Augen der Vorübergehenden zu suchen. Sie kannte den Mann kaum. „Nein.” Noch einmal schob sie ihn weg. „Nein, ich fühle mich geehrt, und ich danke dir, aber nein, endgültig nein…”
„Aber du mußt”, flüsterte er und versuchte, sie auf den bloßen Hals zu küssen. Wenn sie gewußt hätte, wie betrunken er war, hätte sie gar nicht erst mit ihm getanzt! Seine Hände waren heiß und lästig, und er versuchte, ihr in den Ausschnitt zu fassen. Magda wünschte, ihre Amazonenjacke anstelle des Feiertagskleides zu tragen. Sie wußte, wie sie sich verteidigen konnte, aber dieser Mann war ein Freund aus ihrer Kinderzeit, und sie wollte ihm nicht weh tun. Als er jedoch trotz ihrer Abwehr seine Hände nicht von ihr ließ, gab sie ihm eine schallende Ohrfeige. Er blinzelte und sah sie verdutzt an.
„Du hast mich erregt, und jetzt verweigerst du dich mir…”
Erbittert gab sie zurück: „Ich habe mit dir getanzt; erregt hast du dich selbst! Rede kein dummes Zeug, Darrell! Willst du im Ernst behaupten, ich hätte darauf abgezielt? Wenn das so wäre, müßte
jede Frau in Thendara verschleiert gehen wie eine Trockenstädterin!” Mit beschämtem Grinsen ließ er den Kopf hängen.
„Nun - fragen darf man ja wohl”
Nur zu gern erwiderte sie sein Lächeln. „Sicher. Vorausgesetzt, daß man nur fragt und nicht ohne Erlaubnis nehmen will”
„Das kannst du mir nicht verübeln”, meinte er gutmütig und beugte sich nieder, um ihre Schulter zu küssen. Aber sie wich ihm aus. Nein, sie wollte nicht mit ihm flirten! Verdammt, nach all diesen Monaten der Isolation und des Zölibats fielen plötzlich Männer - und noch dazu gut aussehende und akzeptable Männer - sozusagen aus den Bäumen! Erst Monty, jetzt dieser wirklich nette junge Gardist - wenn Camilla nicht wäre, würde sie dann mit ihm gehen? Das ließ sich nicht entscheiden, denn Camilla war da. Im Schatten eines der Gebäude sah sie eine Frau in Amazonenkleidung - es mußte Rafaella sein - in einer so
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