Gildenhaus Thendara - 7
angebracht hatte, wo es ihr Schwierigkeiten machte, ihn zu erreichen, statt vorn, wie es vernünftig gewesen wäre. Überhaupt, wer wünschte sich ein so enges Kleidungsstück? Weiter geschnitten und mit den Säumen, die sich zusammendrücken ließen, vorn, wäre es ungemein praktisch für eine Frau gewesen, die ein Kind nährte. So, wie es war, stellte es eine Verschwendung von Material dar — ein paar Zentimeter loser sitzend, und es hätte sich über den Kopf ziehen lassen und überhaupt keinen Verschluß gebraucht. Es fühlte sich rauh an ihrer Haut an, denn eine Unterjacke hatte sie nicht bekommen, aber wenigstens besaß das Ding einen warmen gestrickten Kragen und anliegende Ärmel. Stirnrunzelnd musterte Jaelle sich im Spiegel. Peter, bereits angekleidet, trat hinter sie, faßte sie bei den Schultern, bewunderte ihr Spiegelbild und preßte sie dann eng an sich. „Du siehst hinreißend in Uniform aus”, sagte er. „Sobald sie dich zu sehen bekommen, werden mich alle Männer im HQ um dich beneiden” Jaelle wand sich innerlich; ihre Ausbildung hatte darauf gezielt, genau das zu vermeiden. Der Stoff schmiegte sich unschicklich eng um die Kurven ihrer Brüste und ihrer schmalen Taille. Sie machte sich Sorgen, aber als Peter sie zu sich herumdrehte und an sich zog und sie ihr Gesicht an seiner Schulter verbarg, schien in seinen Armen die ganze Anspannung aus ihr hinauszufließen. Sie seufzte und murmelte: „Ich wünschte, du müßtest nicht gehen . . “
„Mmmmmm, das wünschte ich auch!’ Er liebkoste sie, grub seine Lippen in ihren bloßen Hals - hob dann abrupt den Blick und starrte das Chronometer an der Wand an.
„Autsch! Sieh mal, wie spät es ist! Ich sagte ja schon, ich wage es nicht, an diesem ersten Tag, den ich wieder zurück bin, zu spät zu kommen!’ Er wandte sich zur Tür. Jaelle wurde es trotz der warmen Dusche eiskalt, als er sagte: „Tut mir leid, Liebling, ich bin spät dran, aber du findest doch den Weg, nicht wahr? Wir sehen uns heute abend!’ Die Tür schloß sich, und Jaelle stand allein da. Immer noch erregt von seiner Berührung und seinem Kuß, stellte sie fest, daß er nicht einmal auf die Beantwortung seiner Frage gewartet
hatte. Jaelle war sich überhaupt nicht sicher, ob sie durch das erschreckende Labyrinth des Hauptquartiers in das Büro hinunterfinden würde, wo sie sich heute morgen melden sollte.
Blind starrte sie auf das Chronometer und versuchte, die terranische Zeit in die vertrauten Stunden des Tages zu übersetzen. Wenn sie richtig rechnete, war es noch nicht einmal drei Stunden nach Sonnenaufgang. Ihr fiel eine Neckerei Magdas ein: Ich glaube nicht, daß es dir in der Terranischen Zone besonders gefallen wird. Dort wird manchmal sogar nach der Uhr geliebt.
Doch auch sie hatte heute morgen Pflichten. Sie konnte nicht hier stehenbleiben und verlegen ihr Spiegelbild angaffen. Andererseits vermochte sie sich nicht vorzustellen, daß sie in diesem unanständig engen Gewand zwischen fremden Männern — Terranern! — herumlief. Nicht einmal eine Prostituierte würde so angezogen ausgehen! Mit zitternden Händen löste sie den Verschluß der Jacke und zog ihre normalen Kleider an. Die Uniform war außerdem für das Spätfrühlingswetter draußen nicht warm genug. Innerhalb des Gebäudes, das zu fast erstickender Wärme aufgeheizt war, mochte sie genügen, aber Jaelle mußte nach draußen gehen. Sie nahm sich die kleine Karte des HQ vor, die Peter ihr dagelassen hatte, und bemühte sich, Sinn in den unvertrauten Markierungen zu finden. Im morgendlichen Nieselregen erschauernd, suchte sie sich den Weg bis zum Hauptgebäude und zeigte dort den vorläufigen Paß, den Peter ihr gegeben hatte. Der Sicherheitsmann sagte: „Mrs. Hal-dane? Sie hätten bei diesem Wetter durch den unterirdischen Tunnel gehen sollen.” Jaelle sah sich um und stellte fest, daß sich tatsächlich kein Mensch auf den verwickelten Gehwegen und Rampen befand.
Es gelang ihr, die Hinweisschilder zu enträtseln. Peter hatte ihr einen Schnellkurs im Lesen der häufigsten Zeichen verpaßt, und sie hatte ein bißchen Terra-Standard gelernt, das sich von Casta gar nicht so sehr unterschied - irgend jemand hatte ihr einmal erzählt, daß beides einer gemeinsamen Sprachfamilie angehört habe, bevor Darkover besiedelt worden war, und daß Casta der gebräuchlichsten terranischen Sprache ähnlich sei. Es widerstrebte ihr, jemanden von den Männern und Frauen, die in den Kaninchengehegen der Gebäude
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