Gildenhaus Thendara
einmal nehmend. Halb schluchzend, stolperte sie, rutschte zwei Stufen wieder hinunter, raffte sich auf und erreichte das obere Stockwerk, wo sie sich im Bad mit der einfachen Methode einschloß, die Tür mit einem Schemel zu blockieren. Brechreiz überfiel sie, die Wände rings um sie schienen sich nach außen auszuheulen und verschwammen vor ihren schmerzenden Augen.
Jaelle fand sie dort auf dem Fußboden sitzend. Magda preßte sich ein Handtuch auf die Augen, schwankte vor und zurück und war nicht einmal fähig zu weinen. „Chiya.” Jaelle kniete sich neben sie. „Was ist denn? Was haben wir getan?”
Magda ließ das Handtuch sinken, und einen Augenblick lang war ihr, als halte Jaelles Stimme, ja, ihre bloße Anwesenheit, die sich dehnenden Wände fest, zwänge sie zur Festigkeit. Natürlich, sie ist Comyn, eine Katalysator-Telepathin, schoß es ihr durch den Kopf, und sie fragte sich gereizt, was der Ausdruck zu bedeuten habe und woher er stamme. Sie kämpfte gegen den Impuls an, sich in Jaelles Arme zu werfen, sich an sie zu klammern und bis zur Bewußtlosigkeit zu weinen, die andere Frau in sich aufzunehmen, von ihrer Kraft zu zehren… Doch dann flackerte in ihrem Inneren ein Fünkchen
Trotz auf. Jaelle war stark genug, den Kulturschock der terranischen Zone zu überwinden, sie hatte beim Essen Witze darüber gemacht, und dann war sie heraufgekommen, um Magda zu trösten, weil Magda nicht dazu fähig war! Sie durfte ihre Schwäche nicht zeigen - am wenigsten vor Jaelle. Um Selbstbeherrschung ringend, biß sich Magda auf die Lippe und schmeckte Blut.
Jaelle, die die rollenden Augen und die Schweißperlen auf Magdas Stirn unter den an der Haut klebenden Locken sah, kam auf den logischen Gedanken, es sei einfach Angst. Heute abend würde entschieden werden, ob Magda bleiben durfte, und da Jaelle wußte, was der Eid ihre Freundin gekostet hatte, tat ihr das Herz um sie weh. Aber Jaelle war Soldatin gewesen, ehe sie irgend etwas anderes begann, Kindra und Camilla hatten sie in hartem Stoizismus geschult, und dazu kam die angeborene Zähigkeit einer Frau aus der Wüste. Und in den letzten Monaten hatte sie den härtesten Kampf ihres Lebens ausgefochten. Magda dagegen brauchte sich den Maschinen und dem entmenschlichenden Leben der terranischen Zone nicht zu stellen, sie war hier von der Liebe und Sorge sämtlicher Gildenhaus-Schwestern umgeben!
Der barsche Ton ihrer Stimme sollte Magda aufmuntern wie der erste Guß kalten Wassers am Morgen. „Margali n’ha Ysabet, hör mir zu!” Magdas Amazonen-Name klang wie das Klirren eines Schwertes. „Bist du eine Frau oder ein wimmerndes Mädchen? Willst du deiner Eidesmutter in unserm eigenen Haus Schande machen?”
Magdas erwachender Stolz stürzte sich darauf und hielt sich daran fest. Ich kann alles, was sie kann, alles, was irgendeine Darkovanerin kann! Es gab ihr die Kraft, sich auf die Füße zu stellen und durch zusammengebissene Zähne zu erklären: „Jaelle n’ha Melora, ich werde dir keine Schande machen!”
Mit dem Wahrnehmungsvermögen, das sie nicht kontrollieren konnte, das sich ihr aber von Zeit zu Zeit aufdrängte, erkannte Jaelle, daß ihr Hohn Magda vor einem totalen Nervenzusammenbruch gerettet hatte. Trotzdem tat ihre Kälte weh. Sie sagte eisig: „Unten im Musikzimmer, bevor die Uhr das nächste Mal schlägt”, drehte Magda den Rücken und setzte mit kühler Sachlichkeit hinzu: „Du wäschst dir besser zuerst das Gesicht” Sie ging und verbannte den Gedanken daran, was sie viel lieber getan hätte. Wie gern hätte sie Magda in ein heißes Bad gesteckt und ihr den Rücken gerieben, bis die Spannung verschwunden war, sie getröstet, sobald sie gemütlieh im Bett lag! So hatte sie es früher mit Doria gemacht, wenn die Kleine von einer der Prügeleien kam, die in Thendara unter den Straßenkindern Jungen wie Mädchen - für eine Pflegetochter des Amazonen-Gildenhauses unvermeidlich waren.
Aber Margali ist eine Frau, meine Eidestochter. Sie ist kein Kind, und ich darf sie nicht wie ein Kind behandeln!
Allein zurückgeblieben, überkam Magda das wahnsinnige Verlangen, terranische Uniform anzuziehen, so vor sie hinzutreten, ihnen den verdammten Eid ins Gesicht zu schleudern und hinauszustürmen, bevor man sie hinauswerfen konnte. Wenn ich eine Uniform im Haus hätte, täte ich es vielleicht wirklich, dachte sie. Dann war sie froh, daß sie keine Uniform hatte, denn sie würde das bis zu ihrem Tod bereuen. Magda war so sehr Darkovanerin, daß sie
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