Gildenhaus Thendara
wir offen heraussagen, was uns stört. Schließlich sind wir keine ungezogenen Kinder, die in Winkeln von Schmutz tuscheln. Rafaella, du hast dich am eifrigsten betätigt. Laß uns hören, welchen Groll du hegst!” „Margali hat uns Schande gemacht” Rafaella richtete die Augen auf Magda, und alle anderen Frauen taten es ihr nach. „Sie ist schuld, daß wir eine hohe Summe als Wiedergutmachung zahlen mußten, sie hat ihre Klinge entehrt, und sie scheint nicht einmal einzusehen, was sie getan hat” „Das ist nicht wahr!” rief Magda. „Wie kommst du auf den Gedanken, ich sähe es nicht ein? Was hätte ich deiner Meinung nach denn tun sollen? Tag und Nacht weinen?”
Mutter Lauria mahnte: „Margali…”, aber Jaelle hatte Magda bereits die Hand auf die Schulter gelegt und sie zum Schweigen gebracht. „Still, chiya. Überlaß das uns”
Ein Mädchen, das Dika genannt wurde - ihren vollen Namen kannte Magda nicht - behauptete: „Seht doch, sie hat immer noch keine Manieren gelernt! Und es ist allgemein bekannt, daß sie den Eid auf der Straße und nicht den Regeln entsprechend abgelegt hat. Sie hätte in einem Gildenhaus befragt werden müssen, bevor man ihr erlaubte, zu uns zu kommen”
„Und da sitzt sie in ihrer ganzen Unverschämtheit, und es macht ihr gar nichts aus”, sagte Janetta, und Magda erkannte intellektuell, was sie meinten. Ja, sie beherrschte die Sprache, hatte sie als Kind gelernt - aber sie war in jungen Jahren von den Darkovanern ihrer Umgebung getrennt worden, und jetzt hatte sie nicht die richtige Körpersprache, die subtilen Signale, die ihre sehr echte Reue und
ihr Schuldbewußtsein angezeigt hätten. Man erwartete von ihr eine bestimmte Haltung, die einzunehmen sie nicht fähig war. Aus dem Grund waren sie die ganze Zeit so feindselig gegen sie. Das hieß, alle außer Mutter Lauria, die darüber Bescheid wußte, daß und warum Magda nicht reagierte, wie sie hätte sollen. Magda war klar, daß sie nach darkovanischen Begriffen Schuld auf sich geladen hatte, aber wie sollte sie ihnen das zeigen?
Das ist immer mein Fluch gewesen. Ich bin zu sehr Darkovanerin, um Terranerin zu sein, zu sehr Darkovanerin, als daß ich jemals in der terranischen Zone glücklich werden könnte…Ich bin zu den Amazonen gekommen, weil ich frei sein wollte, das zu werden, was ich wirklich bin, aber ich weiß nicht, was es ist, und wie kann ich es dann finden? Mutter Lauria sagte: „Über Margalis nicht den Regeln entsprechenden Eid ist schon zuviel gemunkelt worden. Jaelle, sie hat ihn dir geleistet, und Camilla, du warst Zeugin. Sprecht vor uns allen die Wahrheit darüber” Sie erzählten die Geschichte. Als sie erwähnten, daß Magda mit einem Geleitbrief der Lady Rohana Ardais gereist sei, klang überall im Raum leises Gemurmel auf, denn Lady Rohana war eine sehr geliebte und geachtete Wohltäterin des Gildenhauses in Thendara. Camilla berichtete, daß sie Magda den Eid unter Androhung von Gewalt abgenommen hatten, wie es die Amazonen-Charta verlangte, und warum. Mutter Lauria hörte ihr schweigend bis zum Ende zu. Dann fragte sie förmlich: „Sag uns, Margali, hast du den Eid unwillig geleistet?”
Das wußte Mutter Lauria ganz genau; sie war bei der Ratssitzung anwesend gewesen, als das des langen und breiten diskutiert worden war. Magda würgte ihre Befürchtungen hinunter. Sie antwortete - und ihre Stimme hörte sich in ihren eigenen Ohren unter der hohen Zimmerdecke dünn und kindlich an: „Anfangs - ja. Ich mußte es tun, wenn ich mein Gelübde gegenüber meinem Verwandten erfüllen wollte. Ich hatte Angst, ich würde Versprechen abgeben müssen, die ich nicht mit gutem Gewissen halten könnte” Sollte sie ihnen hier und jetzt sagen, daß sie Terranerin war und ein erzwungener Eid nach terranischem Gesetz keine Gültigkeit besaß? Nein, es gab genug Schwierigkeiten zwischen Terranern und Darkovanern, ohne daß sie zu diesem alten Streit noch beitrug. „Doch als Jaelle mir den Eid vorsprach, da - da war mir, als fände ich die Worte auf meinem Herzen eingegraben - glaubt mir, der Eid bildet jetzt den Mittelpunkt meines Seins.. ” Die Kehle wurde ihr eng, und sie fürchtete, weinen zu müssen.
Jaelles Hand lag beruhigend auf ihrer Schulter. „Habe ich den hier Versammelten nicht erzählt, wie Margali für mich gekämpft hat, als sie nur abzuwarten brauchte, und mein Tod hätte sie von allen Verpflichtungen befreit? Sie gab ihre Mission auf, die ihr so viel bedeutete, weil sie mich nicht
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