Gilgamesch - Der Untergang
großen Bett, das irgendwie nach Zahnarzt roch. Jedenfalls war es der Geruch, den sie aus Papas Praxis kannte und nicht ausstehen konnte. Er hatte ihr erklärt, dass alle Arztpraxen und Krankenhäuser so riechen müssten, weil es Pflicht sei, Böden, Tische, einfach alles andauernd mit Tüchern abzureiben, auf denen das stinkende Zeug war, das die Bakterien umbrachte.
Sie war in einem Krankenhaus! Aber wie kam sie hierher? Krankenhäuser machten ihr Angst. Mit einem Mal war sie hellwach. Sie fuhr hoch und ein brennender Schmerz durchzuckte ihren rechten Unterarm.
Als sie auf ihn hinunterschaute, wurde ihr schlecht. Da steckte eine Nadel, die mit Pflaster festgeklebt war, und an der durch ihre heftige Bewegung gerade ein dünner Plastikschlauch zerrte, welcher wiederum in einer Flasche über ihrem Bett endete. Irgendeine Flüssigkeit, die aussah wie Wasser, tropfte in den Schlauch und in ihren Arm. Das Ganze war so eklig, dass sich Klara benommen in die Kissen zurücksinken ließ und zu schluchzen anfing.
Sie wollte nach Hause, und langsam kam die Erinnerung an das zurück, was sie erlebt hatte. Sie musste sich zusammenreißen und schloss die Augen, um sich besser konzentrieren zu können. Das Letzte, an das sie sich erinnerte, war kaltes, ekliges Wasser, dass sie ein Mann aus Kakao freundlich angelächelt und umarmt hatte und dann alles schwarz wurde um sie herum.
Sie öffnete die Augen wieder und erschrak so sehr, dass sie nicht einmal schreien konnte. Da stand ein Mann aus Kakao neben ihrem Bett und beugte sich über sie. Er lächelte freundlich und sagte:
„Hey, ich bin Doktor Maranatha und freue mich, dass Du endlich wach geworden bist“.
Das musste einer der Ärzte sein und tatsächlich sah Doktor Maranatha ganz anders aus, als der Mann, dem sie im See begegnet war, und der nichts an hatte als einen Lederrock.
Sie räusperte sich und sagte:
„Hallo, ich heiße Klara Martinez“. Zumindest hatten ihre Lippen diese Worte geformt, doch es kam kein Laut aus ihrer Kehle. Sie versuchte es noch einmal. Nein, da kam nichts, rein gar nichts. Klara geriet in Panik. Sie konnte nicht mehr sprechen. Doktor Maranatha sah ihre angsterfüllten Augen und strich ihr freundlich über das Haar.
„Hab keine Angst. Deine Stimme wird schon bald wieder kommen. Der Notarzt, den der Besitzer des Hauses mit dem Gartenteich alarmiert hat, musste Dich intubieren, also Dir einen Schlauch in die Luftröhre stecken, damit Du überhaupt wieder atmen konntest. Das musste sehr schnell gehen und dabei hat er Deine Stimmbänder verletzt“.
Doktor Maranatha schaute sie freundlich an.
„Du hast uns einen ganz schönen Schreck eingejagt“. Er lächelte wieder. „Auf jeden Fall musst Du mir erzählen, warum Du kurz vor Weihnachten einen Gartenteich austrinken wolltest. Natürlich erst, wenn Deine Stimme wieder funktioniert. Aber jetzt musst Du noch ein bisschen schlafen“.
Klara wollte sagen, dass sie Papa und Mama anrufen müsse, weil sie sich furchtbar Sorgen um sie machten. Doktor Maranatha hatte eine Plastikspritze in eine Öffnung ihres Armschlauches gedrückt und plötzlich wurden ihre Augenlider so schwer wie zwei Steine. Sie konnte sie nicht mehr offen halten, spürte noch mal Doktor Maranathas beruhigende Hand auf ihrem Haar und schlief ein. Doktor Maranatha ging leise aus dem Zimmer, als das Mädchen eingeschlafen war. Niemand wusste, wer sie war. Sie hatte nichts bei sich, das Aufschluss darüber gab, wo sie wohnte und wer ihre Eltern waren. Die Polizei hatte sofort nach ihrer Rettung aus dem See die Nachbarschaft abgeklappert, ohne Erfolg. Niemand schien sie zu vermissen, noch sie jemals gesehen zu haben. Es blieb ein Rätsel, denn das Mädchen war ungefähr sechs Jahre alt, und es erschien Doktor Maranatha wenig wahrscheinlich, dass sie ein Ausreißer war, der mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder per Anhalter eine größere Strecke zurückgelegt hatte. Warum sie ohne erkennbaren Grund in den See gefallen war, konnte er sich ebenfalls nicht erklären.
Er hatte etwas vergessen! Doktor Maranatha hatte der Polizei versprochen, ein Foto des Mädchens zu schießen, wenn sie wach wäre, damit sie eine Fahndung starten und das Bild in die Tageszeitungen setzen könnten. Jetzt schlief sie wieder aber spätestens morgen früh wäre sie hellwach und fit. Vielleicht hätte sie auch ihre Stimme wieder und dann würde sich der ganze Aufwand erübrigen.
Dr. Maranatha ging zurück in die Notaufnahme. Er hatte die ganze Nacht
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