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Gilgamesch - Der Untergang

Gilgamesch - Der Untergang

Titel: Gilgamesch - Der Untergang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Geist
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ließen seine Geschichte zumindest plausibel erscheinen. Er versuchte entspannt zu lächeln, obwohl ihm das Herz bis zum Hals schlug. Dann erklärte er, dass ihn der behandelnde Arzt benachrichtigt hätte.
    „Dr. Maranatha?“, fragte die Schwester.
    „Genau“, er nickte eifrig und gab eine Beschreibung des Kindes, die er von Dr. Maranatha habe. Er zeigte ihr grinsend einen Teddybären, den er für Klara eingepackt hatte.
    Das schien sie endlich zu überzeugen und sie antwortete: „Zweiter Stock, 215. Sie ist alleine im Zimmer und schläft vermutlich noch“.
    Er bedankte sich überschwänglich und ging so langsam zum Aufzug als hätte er alle Zeit der Welt, obwohl jede Muskelfaser seines angespannten Körpers nach Flucht schrie. Als sich die stählernen Fahrstuhltüren hinter ihm schlossen, atmete er aus. Hoffentlich tauchte jetzt nicht der echte Krankenhausseelsorger auf.
    Er fand Zimmer 215 und klopfte leise. Nichts rührte sich. Er öffnete behutsam die Türe und betrat das große Zimmer, in dem ein Bett stand, welches das kleine Mädchen nicht einmal zur Hälfte ausfüllte. Sie atmete tief und gleichmäßig. Sie schlief. Ein Tropf hing an einem Ständer und endete mit einem Schlauch an ihrem Arm. Panik ergriff ihn. Er hatte sich vorgestellt, sie einfach mitzunehmen und ihren Eltern zurück zu bringen. Er war kein Arzt. Durfte er die Nadel einfach aus ihrem Arm ziehen, ohne sie zu gefährden? Oder hatte sie starke Medikamente bekommen und musste überwacht werden? Er hatte Angst, dass die Saturnbrüder hier aufkreuzen würden, sobald sie wüssten, dass das Mädchen noch lebte. Es würde morgen in der Tageszeitung stehen. Sie wären alarmiert und müssten befürchten, dass Klara sie identifizierte.
    Sie hatten keinen Finger gerührt, um sie aus dem See zu ziehen, doch würden Sie das kleine Mädchen auch kaltblütig ermorden?
    Er hatte plötzlich eine Stinkwut im Bauch.
    Martin Hesse nahm Klara vorsichtig aus dem Bett. Sie stöhnte leise, wachte aber nicht auf. Er würde nicht zulassen, dass ihr etwas geschah. Er zog die Kanüle aus dem Arm und klebte ein Pflaster, das an ihrem Nachttisch hing, auf die kleine Wunde. So schnell es ihr schlaffer Körper zuließ, zog er ihr die Kleider an, die bereits getrocknet waren und über einem Stuhl neben dem Bett hingen. Er hüllte sie in eine Decke und verließ den Raum. Der Gang war menschenleer. Er eilte zum Fahrstuhl und fuhr in den Keller des Gebäudes.
    Insgeheim hoffte er, dass er über die Tiefgarage fliehen könnte, ohne bemerkt zu werden. An der Rezeption mit einem Kind auf dem Arm vorbei zu schleichen wäre keine gute Idee. Die stählernen Türen öffneten sich und er trat hinaus in die Dunkelheit. Es roch nach Öl und Abgasen aber anscheinend waren sie allein. Als sich die Aufzugtüren hinter ihnen schlossen, wurde es stockfinster. Er fluchte leise und wartete, bis sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Von der Ausfahrt aus der Garage drang spärlich Licht herein, sodass er sich orientieren konnte.
    Er hatte kein Fahrzeug. Das stand noch vor der Villa seines Vaters, wo er es stehen gelassen hatte aus Angst, sie würden ihn hören und verfolgen.
    Plötzlich gingen die Scheinwerfer eines geparkten Autos an und blendeten ihn. Er kniff die Augen zusammen und hörte, wie eine Türe geöffnet wurde. Eine schwarze Gestalt, die wie ein riesiger Scherenschnitt aussah, trat vor die grelle Hintergrundbeleuchtung und steckte die Hände in die Taschen eines Trenchcoats.
    Martin erschrak. Wollten sie das Mädchen und ihn hier erschießen? Mit einem Schalldämpfer wäre es ein Leichtes. Sie könnten sie beide in den Kofferraum des Wagens laden, und niemand würde sie je wieder sehen.
    Verzweiflung und Wut verbanden sich zu einer explosiven Mischung in seinem Kopf.
    „Ich werde nicht zulassen, dass ihr etwas geschieht und freiwillig werden wir nicht mitkommen“, schrie er der dunklen Gestalt entgegen.
    „Das hatte ich aber gehofft“, war die freundliche Erwiderung einer Stimme, die Martin Hesse nur allzu gut kannte.
    „Vater?“ Er war völlig verwirrt. „Woher wusstest Du…“
    „Steig ein. Ich erkläre Dir alles auf der Fahrt zurück nach Tübingen“.
    Martin Hesse war noch nie so glücklich gewesen, seinen Vater zu sehen.
    „Ich muss Dir etwas erklären. Ich dachte, die Communitas Saturni hätte ehrenwerte Ziele für eine Neuordnung der Welt nach dem Chaos, das uns bevorsteht. Aber sie sind noch schlimmer als diejenigen, die unsere Welt gerade

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