Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gilgamesch - Der Untergang

Gilgamesch - Der Untergang

Titel: Gilgamesch - Der Untergang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Geist
Vom Netzwerk:
Dienst und würde später noch einmal nach dem kleinen Mädchen sehen.

37.
     
    Die Communitas Saturni hatte etwas getan, das ihn irritierte und seinen Glauben an ihre Integrität erschütterte. Sie hatten von ihm verlangt, ein Kind zu verstecken, das offensichtlich nicht freiwillig bei ihnen war. Er schloss daraus, dass es sich um eine Entführung handelte, mit der sie sich jemanden in einer einflussreichen Position gefügig machten oder zum Schweigen bringen wollten.
    Ganz gleich, welchem Zweck es diente, er konnte nicht akzeptieren, dass die neue Weltordnung mit einem Verbrechen an einem unschuldigen Kind beginnen sollte. Gewalt hatte in seinem Leben seit dem Selbstmord seines Großvaters immer wieder eine Rolle gespielt. Er war als Kind demonstrativ in eine Pfadfindergruppe außerhalb der Rosenbruderschaft eingetreten, in der Mutproben und drakonische Rituale an der Tagesordnung waren, ohne dass sein Vater davon wusste. Der Leiter der Gruppe war ein verhaltensgestörter Exberufssoldat gewesen, der eine Art Wehrsportgruppe aus ihnen machte. Martin wollte seinem Vater zeigen, dass er kein Feigling war, und so erduldete er die Marter klaglos, wurde brutal und stumpfte gegen jede Art von Mitgefühl ab.
    Irgendwann flog alles auf, und die Gruppe wurde aufgelöst. Der Gruppenleiter wanderte ins Gefängnis und anstatt einen Psychologen zu engagieren, um mit den Jungen das Erlebte aufzuarbeiten, wurde die peinliche Geschichte unter den Teppich gekehrt.
    Dieses kleine, intelligente Mädchen schaffte es, eine Türe in ihm zu öffnen, die lange verschlossen gewesen war.
    Gryphius hatte ihm zwar lange erklärt, dass große Ziele immer große Opfer verlangten, Martin Hesse beschlich nun aber der Verdacht, dass es mehr um ganz persönliche Ziele ihres Großmeisters ging als um die gute Sache einer Erneuerung der Welt.
    Er hatte widerstrebend in die Einquartierung Klaras eingewilligt und sich verzweifelt überlegt, wie er trotz seiner Enttäuschung bei der Saturnbruderschaft bleiben, und dennoch das Mädchen befreien könnte.
    Ihre Flucht war ihm zuvorgekommen und hatte seine Pläne durchkreuzt. Er war ihr gefolgt und entsetzt, dass Frieda keinen Finger rührte, als sie in den Teich stürzte. Frieda hatte nur mit einem Grinsen bemerkt, dass sich das Problem mit ihr gelöst hätte, und war mit den anderen davongebraust. Martin war in den Teich gesprungen, hatte sie in der dunklen Brühe über fünf Minuten lang verzweifelt gesucht und erstaunt festgestellt, dass sie atmete, als er sie mithilfe des herbeigeeilten Hausbesitzers ans Ufer zog, den er bat, die Polizei zu verständigen.
    Er wollte auf keinen Fall selbst als Retter Klaras in der Tageszeitung erscheinen, und der Hausherr, der mehr als froh war, nicht für den Tod eines Kindes in seinem Gartenteich verantwortlich zu sein, erfüllte gerne den Wunsch, ihn der Polizei gegenüber nicht zu erwähnen.
    Es war ein Wunder, dass Klara noch lebte, und Martin Hesse erkannte in diesem Moment endgültig, dass er sich in der Communitas Saturni geirrt hatte. Sie waren Terroristen, die über Leichen gingen, um ihre Ziele zu erreichen, hatten ihn benutzt und wie einen Esel vor ihren Karren gespannt.
    Genau das war er, ein Esel, der sich durch ihre Drogen und sexuellen Exzesse hatte einlullen lassen, die sie als besondere Wege zur Erleuchtung anpriesen.
    Er war in die Villa zurückgekehrt, hatte sich unbemerkt trockene Sachen angezogen und verließ das Haus wieder. Er rief sich ein Taxi über sein Handy.
    „Zum Krankenhaus“.
    Der Fahrer nickte, startete das Taxameter und fuhr los. Weder er noch der Taxifahrer bemerkten den Motorroller, der Abstand hielt, immer wieder aufholte, vor dem Krankenhaus an ihnen vorbeibrauste, um an der nächsten Kreuzung rechts abzubiegen.
    Martin bezahlte und betrat die städtische Klinik durch den Haupteingang. Er fragte an der Rezeption nach dem kleinen Mädchen, das aus dem See gefischt worden war. Die junge Dame hinter dem Flachbildschirm der Rezeption schaute ihn erstaunt an und fragte:
    „Sind sie ein Angehöriger?“
    Martin Hesse hatte sich nicht überlegt, dass es schwierig wäre, zu Klara zu gelangen. Natürlich würden sie nicht einfach einem wildfremden Mann erlauben, sie zu besuchen, also log er: „Nein, ich bin heute Vertretung des Krankenhauspfarrers und wollte sehen, ob ich helfen kann.“
    Die Schwester schaute ihn skeptisch an.
    „Wir tragen nicht immer schwarze Kutten und weiße Kragen“. Seine Jeans und der dunkle Rollkragenpullover

Weitere Kostenlose Bücher