Gilgamesch - Der Untergang
erst eine Probebohrung vornehmen wollte, um auszuschließen, dass es sich um eine Anomalie des Untergrunds handelte, sodass sich die Ölträume schnell in Luft auflösen könnten.
John Campbell war nicht restlos überzeugt davon, dass es dieses riesige Ölvorkommen gab, doch er würde seinen ganzen Einfluss in die Waagschale werfen, um die Meldung zu verbreiten, damit es zumindest einen Aufschub für das Eingreifen des Militärs gäbe.
Er hatte eine gute Freundin bei CNN , der er notfalls die dickste Lügengeschichte auftischen würde, um für seine Sensationsnachricht die beste Sendezeit zu ergattern. Die anderen drei dankten ihm und John Campbell loggte sich aus, um alles Nötige in die Wege zu leiten. Martin Hesse erklärte seinen Plan.
„Ich werde sofort den Sohn des chinesischen Ministerpräsidenten kontaktieren. Ich werde ihm reinen Wein einschenken. Er ist westlich erzogen worden und ich denke, dass er seinen Vater um Aufschub für die Abschottung des Landes bitten wird. Es muss einfach klappen“.
Martin Hesse schlug mit der flachen Hand auf den Schreibtisch seines Vaters. Hermann Hesse blickte seinen Sohn voll Stolz an.
„Du ahnst bestimmt schon, wer der Auserwählte ist, der sich unglücklicherweise in der Gewalt der Communitas Saturni befindet. Es ist Christopher Martinez, der Vater von Klara. Er wurde bereits an den Ort der Zeremonie gebracht, doch niemand weiß genau, wo das ist. Sven hat mir mitgeteilt, dass sie ihn in einem Seitenstollen des Calwer Tunnels vermuten. Bis jetzt haben sie den Eingang noch nicht gefunden“.
„Wenn Du diesem Sven vertraust, Vater, dann muss er einer der besten sein und wird Herrn Martinez rechtzeitig finden. Wenn es Dir recht ist, werde ich von Deinem Notebook aus mit dem Sohn des chinesischen Ministerpräsidenten in Kontakt treten“.
Martin Hesse betrat den geschützten Chatraum, schickte seinem Gesprächspartner eine Einladung und wartete. Nach wenigen Sekunden antwortete jemand, der sich masterping nannte, auf seine Anfrage .
Hermann Hesse erhob sich aus seinem Arbeitssessel, um seinem Sohn den Schreibtisch zu überlassen. Er würde alleine entscheiden müssen, was zu tun wäre. Es war seine Bestimmung und er selbst war nur ein Statist in diesem Drama, dessen letzter Akt soeben begonnen hatte. Er konnte nichts tun als zu warten, bis Sven ihn über den Erfolg oder Misserfolg der Befreiungsaktion unterrichten würde .
52.
Sven Richter war gegen fünf Uhr morgens wieder in Calw. Er parkte am alten Haltepunkt Fuchsklinge der stillgelegten Schwarzwaldbahn. Es schneite immer noch heftig und die weiße Landschaft reflektierte genügend Licht, um sich ohne Taschenlampe zurechtzufinden.
Er stapfte durch den knietiefen Schnee den Berg hinauf. Bis zum Eingang des Tunnels waren es nur etwa zweihundert Meter, doch er kam nur mühsam voran.
Er kannte die Gegend gut, die Landschaft war durch die enormen Schneemassen jedoch so verändert, dass er vom Weg abkam und sich unverhofft auf der zugefrorenen Eisfläche des Schießbaches wieder fand.
Es knackte gefährlich unter seinen Füßen. Er fluchte leise und warf sich auf den Bauch, um das Gewicht möglichst gleichmäßig zu verteilen. Der Schnee lief ihm in den Kragen und der Schock der plötzlichen Kälte vertrieb mit einem Schlag seine Müdigkeit. Er robbte über die Eisfläche, und als er endlich die abschüssige Böschung unter sich fühlte, atmete er auf. Sven klopfte sich den Schnee von den Kleidern. Er fror inzwischen erbärmlich.
Es dauerte fünfzehn Minuten, bis er das schwarze Loch in der Felswand fand, das den Tunneleingang markierte. Er betrat die dunkle Höhle und wartete einen Augenblick, bis sich seine Augen an die undurchdringliche Schwärze gewöhnt hatten.
Sven hatte seine kleine Taschenlampe in der Hand, die er am Schlüsselbund stets bei sich trug. Er wehrte sich gegen den ersten Impuls sie anzuknipsen, denn er wollte nicht Gefahr laufen, die Saturnbrüder auf sich und seine Leute aufmerksam zu machen.
Solange er zwischen den Schienen auf den Schwellen ging, konnte er sich nirgends den Schädel einschlagen, und irgendwann würde er auf eine vertraute Gestalt stoßen. Es ärgerte ihn, dass er sein Nachtsichtgerät im Bus gelassen hatte. Seine Konzentration litt unter dem tagelangen Schlafentzug.
Er kam zügig voran und schätzte, dass er ungefähr die Mitte der einen Kilometer langen Röhre erreicht hatte, die italienische Bahnspezialisten vor rund 140 Jahren in den Fels gesprengt
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