Gillian Shields - Der Zauber der Steine
Pferden und führte sie auf den Longierplatz. Wenn sie miteinander sprachen, leuchteten Joshs braune Augen, und wenn er lächelte, wich die Spannung aus Evies Gesicht. Die von Agnes zwischen ihren Familien geknüpfte Verbindung schien sie zu faszinieren. Ein von Josh ausgehender Funke genügte, um Evies Mitgefühl zu entfachen und sie noch enger aneinanderzuschweißen. Ich bemerkte, dass Evie bestrebt war, Josh nicht zu berühren, nicht mit ihm zu flirten oder andere Signale besonderer Aufmerksamkeit zu senden, wie es bei Mädchen, die sich für einen attraktiven Jungen interessieren, üblich war. Nichts deutete darauf hin, dass die beiden mehr verband als nur Freundschaft. Aber ich wusste es besser. Wie konnte sie das tun, wenn sie doch noch immer Sebastian liebte? Immerhin war sie nicht einsam.
Ich versuchte, nicht neidisch zu sein und den beiden ihr Glück zu gönnen. Aber ich fühlte mich furchtbar. Und es gab niemanden, mit dem ich reden konnte. Helen war immer mehr in ihrer eigenen Welt gefangen, schrieb wie eine Besessene lange Briefe an ihren Vater oder notierte kleine Geheimnisse in ihrem Notizbuch. Die früheren Freundinnen, die ich vor Evies Ankunft in der Schule gehabt hatte, hatten sich von mir abgewandt, nachdem ich mich mit ihr und Helen, den beiden »Freaks«, angefreundet hatte. Und was noch schlimmer war: Ich hatte nicht einmal einen Brief von Cal, nicht einen einzigen. Und ich war sicher, dass ich auch nie einen bekommen würde.
Die Tage schleppten sich dahin, und ich wusste nichts mit mir anzufangen. Natürlich versuchte ich meine Freizeit sinnvoll zu nutzen. Nach dem Unterricht kümmerte ich mich um meine Pferde und mein Beet im Garten, aber ohne Freude, lediglich aus einem dumpfen Pflichtgefühl heraus. Womit ich mich auch beschäftigte, ohne Helen und Evie fühlte sich alles öde und leer an.
Mehr aus Verzweiflung begann ich in der Mittagszeit im Chor zu singen; es war auch eine Art, die Zeit totzuschlagen. Immerhin gab mir die Musik die Möglichkeit, meine Gefühle auszudrücken, und ich hoffte, dass es mich aufmuntern würde. Zu meiner Überraschung war auch Velvet dabei, rebellisch und spöttisch wie immer. Sie stand in der hintersten Reihe und brachte die anderen Mädchen zum Lachen, indem sie Mr Brookes zögerliche Art zu sprechen und sein linkisches Benehmen imitierte. Ich wünschte, ich könnte genauso sorglos und heiter sein, aber ich hatte einen anderen Weg zu gehen. Und so sang ich im Chor, grübelte, wartete und vermisste meine Freundinnen. Und jede Nacht hörte ich im Traum die Trommeln. Aber so sehr ich mich auch bemühte: Ich konnte einfach nicht erkennen, was mir diese wilde Musik sagen wollte.
Es war fast eine Erlösung, dass Velvet am folgenden Samstag für Abwechslung sorgte. Sie tauchte am Stall auf und nahm einen prächtigen schwarzen Wallach in Empfang, ein Geschenk ihres Vaters. Sein Name war Jupiter, und er musste ein Vermögen wert sein, jedenfalls nach seinem edlen Aussehen und seinem harmonischen Gang zu urteilen. Majestätisch trabte er über das Kopfsteinpflaster, bevor er in den Stall gebracht wurde. Ich konnte den Neid der anderen, die gekommen waren, um sich das Prachtexemplar anzusehen, fast körperlich spüren. Celeste und India, die sich selbst für die Größten hielten, was das Reiten anging, blickten wütend drein. Wieder hatte Velvet ihnen die Schau gestohlen. Für meinen Geschmack war das Tier viel zu edel für die harten Ritte durch die raue Moorlandschaft rund um Wyldcliffe, und das sagte ich Velvet auch.
»Du bist nur neidisch«, antwortete sie unbeeindruckt. »Das wird ein Spaß, was Jupiter, Darling? Dad kauft immer nur das Beste vom Besten, er wird mir bestimmt keine alte Schindmähre zum Reiten schicken. Was hältst du davon, wenn wir morgen gemeinsam einen schnellen Ritt über die Moors machen? Ich mit Starlight und du mit Jupiter?«
Sie schien zu erwarten, dass ich von ihrer Idee begeistert wäre und meine eigenen Pläne über den Haufen werfen würde.
»Ähm, tut mir leid. Ich habe meine Biologiearbeit noch nicht fertig.« Miss Scrattons Warnung, nicht in den Hügeln herumzustreunen, klang mir noch in den Ohren. Außerdem war ich nicht wirklich scharf darauf, mit Velvet unterwegs zu sein. Einen Moment lang schien sie verärgert, dann zuckte sie mit den Schultern.
»Nun gut. Ich finde auch jemand anderen.« Velvet sah sich um, bis ihre Augen auf einem Mädchen haften blieben. Es war Sophie, eine aus Celestes Hofstaat, ein harmloses und
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