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Gillian Shields - Der Zauber der Steine

Gillian Shields - Der Zauber der Steine

Titel: Gillian Shields - Der Zauber der Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Band 3
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würde Cracker satteln und reitfertig auf der kleinen Koppel in der Nähe der Schule zurücklassen. Nachdem das Licht im Schlafsaal ausgeknipst war, sagte ich zu Winifred, dass es mir nicht gut ginge und ich zur Krankenstation müsste. Dann schlich ich mich die Marmortreppe hinunter und schlüpfte durch eine Seitentür hinaus in die mondbeschienene Nacht. Mein Herz klopfte so heftig, dass ich glaubte, es würde zerspringen.
    Joseph hatte Wort gehalten und ein Bündel Jungenklamotten neben mein Pony gelegt. Ich zog sie an, verbarg meinen Körper unter einer dicken Jacke und einem Schal. Dann führte ich Cracker aus dem Gatter vorsichtig auf die Straße, die zum Dorf führte. Ich ritt nicht direkt ins Zigeunerlager, sondern versteckte mich wie geplant hinter den Bäumen am Fluss. Wenn die Männer an mir vorbeireiten würden, wollte ich mich ihnen im Schutz der Dunkelheit anschließen, in der Hoffnung, dass sie einen weiteren jungen Mann nicht bemerken würden. Meine Haare hatte ich unter einer Mütze versteckt und betete, nicht erkannt zu werden.
    Zuerst lief alles nach Plan. Ich hatte noch gar nicht lange gewartet, da sah ich die Brüder aus dem Lager kommen. Ich wusste, dass sie erst zum Fluss und dann ins Moor reiten würden. Zak ritt in der vordersten Linie, hoch aufgerichtet und mit ernstem Gesicht, neben ihm seine Onkel. Ich wartete, bis mich der Suchtrupp passiert hatte, dann schloss ich mich ihnen an. Als wir die Moors erreicht hatten, ertönte ein Signal, und die Pferde galoppierten in die nachtschwarze Finsternis.
    Obwohl mich Zaks Leid schmerzte und ich mir von ganzem Herzen wünschte, dass wir seinen Vater finden würden, musste ich insgeheim zugeben, dass mir dieser wilde Ritt gefiel. Die Sterne über uns, das Stakkato der Pferdehufe und der Wind in meinem Gesicht! Die Männer riefen mit ihren rauen, kehligen Stimmen nach Zaks Vater, es klang wie ein Lied, wild und traurig zugleich. Dann blieben sie stehen und warteten auf eine Antwort, aber vergebens.
    Der Trupp erreichte den Hügelkamm und schließlich den Steinkreis. Im Mondlicht sahen die Menhire aus wie ein Tempel. Die Männer verharrten still. Einer stieg vom Pferd und vergrub ein Bündel am Fuß des größten Menhirs. Darin waren Speisen, Getränke und Goldmünzen. »Geist der Hügel, empfange diese Gaben und gib uns unseren Bruder zurück«, sagte er. »Öffne die geheimen Wege für uns. Befreie seinen Körper und seine Seele.«
    Dann sprang der Mann wieder auf den Rücken seines Pferdes, und der wilde Ritt ging weiter. Schon bald wurde die Erde feucht und sumpfig, und die Pferde setzten vorsichtig einen Fuß vor den anderen, um nicht im Moor zu versinken. Aber nach einer Weile wurde der Boden wieder fester, und wir ritten zum White Tor hinauf. Schon bald erkannte ich die markante Kalksteinformation in der Nähe der Höhlen.
    Der Eingang zur größten Höhle sah aus wie ein abgrundtiefer Schlund, aus dem uns eine unheimliche Schwärze entgegendrang. Der Eingang in eine andere Welt. Die Reiter stiegen ab, und die Pferde wieherten verängstigt, als wir sie vor der Höhle festmachten. Ihr Instinkt warnte sie vor drohender Gefahr. Ich schauderte, und zum ersten Mal befielen mich Zweifel, ob es wirklich eine gute Idee gewesen war, den Roma zu folgen.
    »Unser Bruder wurde ins Innere der Erde gebracht. Wir müssen ihm folgen, wenn es sein muss bis ins Reich des Todes.«
    Es war zu spät, umkehren konnte ich nicht mehr. Ich zog meine Mütze tiefer ins Gesicht und senkte den Blick, als wir weitergingen. Hoffentlich würde mich niemand ansprechen und feststellen, wer ich war. Plötzlich rempelte mich jemand an und trat mir auf den Fuß. Schuldbewusst blickte ich auf. Zak sah mir direkt in die Augen.
    »Das wird einen Riesenärger geben!«, zischte er.
    »Ich wollte doch nur bei dir sein«, flüsterte ich. »Bitte, Zak, verrat mich nicht!«
    Ich glaube, dass er im Grunde ganz froh war, mich in seiner Nähe zu haben, denn er behielt das Geheimnis für sich. Einen Moment lang umklammerte er meine Hand, und dann folgten wir den anderen Männern in die Höhle. Niemand sprach ein Wort, es war wie im Traum.
    Ich kann jetzt nicht weiterschreiben. Für den Augenblick ist es genug.

Vierzehn
    F ür diese Nacht war es genug. Nachdem wir es irgendwie geschafft hatten, zur Schule zurückzukommen, fiel ich erschöpft in tiefen Schlaf. Wieder träumte ich.
    Ich war zurück in der unterirdischen Höhle. Fackeln brannten. In der Luft lag ein würzig-süßer Harzgeruch, der

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