Gillian Shields - Der Zauber der Steine
sich mit dem Rauch vermischte. »Wo bist du?«, rief ich. Und dann: »Ich bin bereit.« Das maskierte Gesicht war wieder da, aber jetzt hatte ich keine Angst mehr. Ich trug eine Krone aus Blättern, wie eine Königin. Ein Augenpaar streifte mich mit einem Blick voller Liebe, doch dann setzten die Trommeln ein, und die Klinge traf.
Als ich erwachte, fühlte ich mich ruhig und gelassen, als ob ich Stunden geschlafen hätte. Irgendwie seltsam.
Hör auf die Trommeln. Dieses Mal war der Traum anders gewesen, so als ob das Gute und Hoffnungsvolle nur darauf gewartet hätten, geweckt zu werden. Plötzlich durchflutete eine Woge von Stärke und Energie meinen Körper. Ich stieg aus dem Bett, ging hinüber zum Fenster und blickte über das weite Land. Die Sonne wärmte bereits das noch taufeuchte Gras. Der Beginn eines wundervollen Tages. Doch als mein Blick auf die Ruine fiel, wurden die Ereignisse der vergangenen Nacht wieder lebendig. Eine Welle der Schuld überlief mich, als ich daran dachte, was geschehen war.
Evies Tränen nach Sebastians Erscheinen waren schließlich versiegt, und Miss Scratton hatte uns erklärt, dass all das, was wir gesehen hatten, nichts als Illusionen gewesen waren, Erinnerungen aus längst vergangenen Zeiten.
»Nachdem wir den Schutzzauber beschworen hatten, erschienen uns die Bilder alles Bösen, das an diesem Ort geschehen ist. Sie waren nicht real, Evie, nur Erinnerungen.«
»Aber ich habe ihn gesehen! Ich hätte die Hand nach ihm ausstrecken, den Streit mit Agnes schlichten und sie beide retten können.«
»Nein, all das ist bereits geschehen. Du mit deiner Gabe, die Kräfte des Wassers zu beherrschen, bist besonders sensibel für den Strom der Zeit und siehst die Schatten der Vergangenheit und ihre Geschichten. Aber all das ist vorüber. Die Vergangenheit ist unveränderlich, auch für dich. Es ist vorbei. Sebastian und Agnes haben beide ihren Frieden gefunden.«
»Aber warum können wir dann nur mit Agnes in Kontakt treten?«, fragte Evie aufgeregt. »Sie ist erschienen, als ich sie gerufen habe. Warum nicht auch Sebastian?«
»Weil du durch den Talisman mit Agnes verbunden bist«, sagte Miss Scratton, »aber zu Sebastian gibt es keine Verbindung mehr, Evie. Ein Toter kann zwar zurückkehren, aber nicht dann, wenn wir nach ihm rufen. Lass ihn los.«
»Aber das will ich doch! Ich will, dass er frei ist und das alles hinter sich lassen kann! Und ich will auch frei sein! Ich kann das nicht alles noch einmal ertragen!«
»Dann lasst uns hoffen, dass unser Schutzzauber stark genug ist und dass Celia Hartles Geist dich nicht erreichen kann.«
»Glauben Sie wirklich, dass unsere Beschwörungen ausreichen werden?«, fragte ich.
»Das weiß ich nicht«, antwortete Miss Scratton, »aber ich hoffe es. Im Moment wäre es klüger, wenn ihr euch voneinander fernhaltet. Dann könnt ihr wenigstens nicht gemeinsam angegriffen werden, und ihre Späher müssen getrennt agieren, um uns kontrollieren zu können. Auch ich habe nicht das volle Vertrauen des Zirkels, deshalb solltet ihr mich nur im Notfall aufsuchen. Abgemacht?«
»Abgemacht.«
»Zudem ist es ratsam, das Schulgelände nicht zu verlassen«, fügte Miss Scratton hinzu.
Evie starrte sie an. »Wir sind also Gefangene?«
»Nein, ich rate lediglich zur Vorsicht.«
»Verstehe ich das richtig? Wir sind ›frei‹ und ›in Sicherheit‹, die Menschen, die uns nahe sind, leben ›in Frieden‹, aber wir sollen uns verkriechen? Wir können also getrost in die Zukunft schauen, werden aber immer noch mit der Vergangenheit gequält? Nun, das ist genau die Art von Freiheit, die ich mir immer gewünscht habe. So kann ich nicht weiterleben, unmöglich!« Evie umklammerte den Talisman an ihrem Hals, als ob sie keine Luft mehr bekäme.
Miss Scratton ließ sie nicht aus den Augen. »Das Leben ist nicht so, wie wir es uns wünschen, für keinen von uns. Wir können nur versuchen, es so zu gestalten, dass es lebenswert ist. Deshalb überlege gut, welche Entscheidung du triffst.«
»Ich habe mich bereits entschieden«, sagte Evie. »Es tut mir leid, aber ich kann das nicht mehr.«
»Du kannst jetzt nicht einfach aussteigen«, fuhr ich sie an.
»Kann ich nicht? Dann pass mal auf.«
»Na klar, lauf einfach weg. Was ist los, mach schon!« Plötzlich packte mich die Wut. »Du hast ja deinen tollen Josh, der dich trösten kann. Geh doch zu ihm und seinen heilenden Händen, und lass uns hier im Stich! Allein mit der Gefahr!«
»So ist es nicht«,
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