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Gillian Shields - Der Zauber der Steine

Gillian Shields - Der Zauber der Steine

Titel: Gillian Shields - Der Zauber der Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Band 3
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ermunterte ihn Evie. Ohne zu zögern, sprang er kopfüber ins Wasser und kam lachend und prustend wieder an die Oberfläche. »Gut gemacht«, lobte Evie lächelnd, »jetzt schau mal, wie ich tauche.«
    Elegant hechtete sie ins tiefere Wasser, tauchte bis auf den Grund und glitt am Boden entlang. Ihre langen roten Haare umhüllten sie wie dunkle Seide. Während ich ihr bewundernd nachsah, begann das Licht um mich herum zu verblassen. Evie kam wieder nach oben, ihr schlanker Körper schien auf der grün schimmernden Wasseroberfläche zu schweben. Sie wirkte wie eine Eisstatue. Um mich herum herrschten Finsternis und Stille, bis auf das Dröhnen der Trommeln in meinen Ohren. Gelähmt vor Angst sah ich, wie Evie leblos auf der Wasseroberfläche trieb, die Arme hingen schlaff herab, die Augen starrten ins Leere, wie Ophelia, die ihrem schlimmen Schicksal entgegentrieb. Wasser drang mir in den Mund, ich würgte und sank langsam tiefer, ich bäumte mich verzweifelt auf und schrie: »Evie!« Im nächsten Moment war die Vision vorbei. Die Sonne strahlte, als wäre nichts gewesen. Die Kinder klatschten begeistert, als Evie am anderen Ende des Pools graziös aus dem Wasser stieg. Die Vorführung war vorbei.
    »Das war ein Riesenspaß, oder?«, rief sie begeistert aus, als wir uns in der Sonne trocknen ließen. »Die Kinder sind so süß.« Dann seufzte sie tief. »Wenn nur alles so … du weißt schon, so normal sein könnte.«
    »Ja«, murmelte ich, »wenn …« Ich konnte ihr nicht erzählen, was vor meinem inneren Auge abgelaufen war. Ich konnte meiner besten Freundin nicht erzählen, dass ich in einer Vision ihren Tod gesehen hatte.
    Die Kinder bekamen im Speisesaal noch selbstgebackenen Kuchen, Toast mit Butter und Tee, dann machten sie sich bereit für den Heimweg. Wir halfen ihnen, ihre Jacken und ihre Sporttaschen wiederzufinden, und dann trabte die ganze Mannschaft in die schwarz-weiß geflieste Eingangshalle. »Ooh, ist das aber riesig! Wohnst du hier? Dürfen wir noch mal wiederkommen?« Ihre unschuldige Neugier war rührend. Ihr Lachen erfüllte das düstere Gebäude mit Leben, ein Gefühl der Freiheit. Nur Celeste schien das anders zu sehen. Als sie den Kindern im Flur begegnete, schreckte sie theatralisch zurück, als könnte sie angesteckt werden. »Miss Scratton, unsere Direktorin, meinte, ihr dürftet öfter kommen«, antwortete ich, um von Celestes Unhöflichkeit abzulenken. Aber die Kinder hatten sie gar nicht bemerkt, glücklich hopsten sie die Treppenstufen zur Einfahrt hinunter, wo ihr Lehrer sie wieder abholte. Evie und ich gingen ein Stück mit, dann winkten wir ihnen nach, bis sie auf der Straße hinter der Begrenzungsmauer verschwunden waren. Ihre quirligen Stimmen aber waren noch lange zu hören.
    »Tschüss!«
    »Bis bald!«
    »Vielen Dank!«
    Die Frühlingsluft war abgekühlt, und es wurde allmählich dämmrig. »Lass uns zurückgehen«, schlug ich vor.
    »Nur noch eine Minute«, sagte Evie. Ihr Gesicht leuchtete vor Glückseligkeit, sie wirkte schöner denn je. »Ich hätte gerne zehn Kinder, und du?«
    »In Ordnung, aber nicht alle auf einmal«, scherzte ich halbherzig. Die Angst lähmte meine Gedanken. »Lass uns besser reingehen. Wir sollten kein Risiko eingehen, bevor wir Kontakt zu Maria aufgenommen haben.«
    »Wahrscheinlich hast du Recht.« Evie drehte sich um, und wir gingen zum Schulgebäude. Der Abendhimmel leuchtete glutrot. Ich wusste nicht, warum ich so unruhig war, aber ich griff nach Evies Arm und zog sie hinter mir her. Wir kamen an das Schultor mit dem verwitterten Schild, auf dem jetzt statt ABBEY SCHOOL FOR YOUNG LADIES zu lesen stand: » BE COOL OR YOU DIE !«, nachdem einige der Lettern verblasst waren. Mir lief ein eiskalter Schauer über den Rücken.
    Plötzlich hörte ich Hufgetrappel, rasend schnell wie mein Herzschlag. Ein schwarzes Pferd kam rasch näher. Der Reiter im langen Kapuzenmantel kam mir bekannt vor. Sein schwarzes Haar fiel ihm bis auf die Schultern, seine traurig lächelnden Augen hatten die Farbe des Sommerhimmels. Evie stöhnte voller Schmerz auf, dann taumelte sie nach vorne.
    »Sebastian! Sebastian, du bist es!«
    Der Reiter beugte sich nach vorn und umfasste Evie mit beiden Armen. Einen Moment lang verharrten sie in stiller Zweisamkeit. Dann zog er Evie auf den Rücken des sich aufbäumenden Pferdes. Dabei verrutschte die Kapuze seines Mantels und enthüllte sein Antlitz. Aber das war nicht mehr das ebenmäßige Gesicht eines jungen Mannes. Das war nicht

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