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Gillian Shields - Der Zauber der Steine

Gillian Shields - Der Zauber der Steine

Titel: Gillian Shields - Der Zauber der Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Band 3
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vorne und war schwerer verletzt als wir auf den hinteren Bänken. Eine schöne Idee, Blumen zu schicken. Ich bin sicher, es wird ihr bald besser gehen.«
    »Miss Dalrymple war auch am Unfallort?«
    »Ja, und sie hat alles organisiert, auch unseren Rücktransport zur Schule.«
    »Oh ja, sicher. Danke dir.«
    Ich wandte mich ab und überließ sie wieder ihren Büchern. Miss Dalrymple schien ihre Finger überall im Spiel zu haben.
    Es gab zwei Möglichkeiten: Entweder war Miss Scratton gewaltsam verschleppt worden, genau wie Evie, oder sie hatte sich mit Celia Hartle verbündet und uns im Stich gelassen, genau in dem Moment, als wir ihre Hilfe am nötigsten brauchten.
    Die zweite Variante war undenkbar. Ich vertraute Miss Scratton bedingungslos. Das würde ich immer tun. Außerdem hatte sie geahnt, dass ihr etwas zustoßen würde, und hatte versucht, uns zu warnen. »Ich werde nicht lange bleiben können«, hatte sie damals gesagt und in den Ruinen einen Schutzzauber um uns gelegt. Dass Velvets Blödsinn ihn brechen würde, hatte sie nicht voraussehen können. Miss Scratton hatte alles getan, was in ihrer Macht stand, aber jetzt war sie verschwunden. Unser Wächter, meine kluge Beraterin. Aber trotzdem – ich war nicht alleine! Wie hatte ich nur vergessen können, dass ich noch eine Schwester hatte, die mir den Weg weisen konnte? Ich hatte Agnes, und ich hatte den Talisman. Mit seiner Hilfe musste ich versuchen, Kontakt zu ihr aufzunehmen.
    Auch in dieser Nacht schlich ich mich aus der Schule, dabei folgte ich Evies Weg über die ausgetretenen Stufen in den Dienstbotentrakt und hinaus zu den Ställen. Trotz meiner Jacke fror ich und versuchte mir einzureden, dass das nur an der Kälte lag. Ich tat es für Evie und für Helen, Angst konnte ich mir nicht leisten. Als ich vor dem Lichtlöschen noch einmal im Krankenzimmer gewesen war, hatte mir die Krankenschwester versichert, dass es Helen besser ging und sie gerade schlief. »Ich werde sie jetzt nicht stören«, hatte sie lächelnd gesagt, »morgen früh wird sie wieder frisch und munter sein.«
    Noch ein Fünkchen Hoffnung. Ich klammerte mich daran wie an hundert andere. Ich hoffte, dass Agnes mein Rufen hören würde. Ich hoffte, dass ich Evie finden würde. Ich hoffte, dass mir in dieser Nacht nichts passieren würde, obwohl die Priesterin im Moor herumgeisterte. Ich hatte den Talisman bei mir. Wieder und wieder versicherte ich mir, dass seine Macht mich vor der Priesterin schützen würde, aber als ich den mit Bäumen gesäumten Weg zum Tor hinunterging, fühlte ich mich hilflos und ungeschützt, als ob Mrs Hartles Geist alle meine Bewegungen verfolgen würde wie eine Spinne im Netz, die auf ihre Beute wartete.
    Als ich am verschlossenen Tor ankam, warteten draußen bereits zwei Gestalten auf mich.
    »Cal?«
    Er warf ein Seil über die Mauer, ich hangelte mich nach oben und sprang auf der anderen Seite wieder herunter. Cal nahm mich kurz in den Arm, und Josh nickte mir zu. Sein Gesicht drückte Entschlossenheit aus. Evies gewaltsames Verschwinden hatte das strahlende Lächeln weggewischt.
    »Wir werden sie finden, Josh, das verspreche ich dir«, sagte ich. Sein Schmerz rührte mich. Die Angst um Evie lastete schwer auf mir. Sie war meine Schwester, meine beste Freundin, und ich fühlte mich für sie verantwortlich. Doch einen Moment lang konnte ich auch durch seine Augen sehen und seine Seelenqualen fühlen. Er hatte Evie die ganze Zeit geliebt, und dabei hatten sie sich noch nicht einmal geküsst, sie hatte ihm Freundschaft und Dankbarkeit geschenkt, aber nicht mehr. Und jetzt würde er sie vielleicht nie mehr wiedersehen.
    »Wir müssen sie finden«, sagte er mit gebrochener Stimme, »wir müssen.«
    Wir gingen in Richtung Dorf. Der Boden war leicht gefroren, Zeichen eines Frosteinbruchs, was im nördlichen Bereich des Wyldcliffe-Tals nicht selten war.
    Der Kirchturm hob sich gespenstisch bleich gegen den Nachthimmel ab. Am Eingang des Friedhofs standen uralte Eiben wie stumme Wächter. Cal griff nach meiner Hand. »Die Geister der Toten ruhen hier. Sei vorsichtig.«
    »Wir tun nichts Falsches«, antwortete ich, »wir suchen Agnes im Licht, dort, wo sie in Frieden lebt, nicht in den Schatten.«
    Er antwortete nicht, umfasste meine Hand aber noch fester.
    Ich ging voran zu dem erhabenen Grabmal mit der Engelsstatue. Schweigend hielten wir inne, die Statue sah mit leeren Augen auf uns herab.
    Als ich Agnes das letzte Mal angerufen hatte, kurz nach meinem Streit mit

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