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Gillian Shields - Der Zauber der Steine

Gillian Shields - Der Zauber der Steine

Titel: Gillian Shields - Der Zauber der Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Band 3
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der Lampen fast schwarz. Ich öffnete die Tür zu unserem Gemeinschaftsraum. Zum Glück war niemand da, und ich ging schnurstracks in die hinterste Ecke, wo das neue Telefon installiert worden war. Eigentlich musste man eintragen, mit wem man wann und wie lange telefonierte, aber ich kümmerte mich nicht darum. Rasch blätterte ich durch das Telefonbuch, bis ich die Nummer des Krankenhauses gefunden hatte.
    »Hallo? Hallo? Kann ich bitte mit Miss Scratton sprechen?«, fragte ich die Telefonistin mit flüsternder Stimme.
    »Wen bitte?«, fragte die Frau am anderen Ende der Leitung zurück.
    »Miss Scratton«, wiederholte ich, »sie wurde am Sonntagnachmittag eingeliefert. Sie ist Lehrerin in Wyldcliffe Abbey.«
    »Weißt du, auf welcher Abteilung?«
    »Nein, tut mir leid, aber sie hat schwere Kopfverletzungen. Es war ein Autounfall. Geht es ihr gut? Kann ich mit ihr sprechen?«
    »Und der Vorname?«
    »Den habe ich nicht, ich weiß nicht …«
    »Ich kann sie auf der Patientenliste nicht finden.«
    »Aber sie muss … es ist wirklich dringend.«
    »Einen Augenblick, ich frage mal nach. Ich stelle dich auf Warteschleife.«
    Ihre Stimme verstummte, stattdessen war Musik zu hören. Nervös wartete ich; jeden Moment konnte Miss Dalrymple hereinkommen und mir den Hörer aus der Hand reißen. Ich verfluchte das Handyverbot, das in Wyldcliffe herrschte.
    »Mach schon, mach schon«, drängte ich leise, dann verstummte die Musik und die Frauenstimme war wieder zu hören.
    »Bist du noch dran? Ich habe mit dem Oberarzt gesprochen, und er hat mir bestätigt, dass wir keine Patientin mit diesem Namen haben.«
    »Sie meinen, Miss Scratton wurde entlassen?«, fragte ich hoffnungsvoll.
    »Aber nein. Sie konnte nicht entlassen werden, da sie nie hier gewesen ist.«
    »Nicht hier gewesen?«
    »Genau. Es tut mir leid. Guten Abend.«
    Dann legte sie auf.
    Ich stand da und starrte ratlos auf den Telefonhörer. Dann warf ich ihn auf die Gabel und stürzte aus dem Raum. Meine Gedanken überschlugen sich. Wo war Miss Scratton? Nach dem Unfall musste sie ins Krankenhaus eingeliefert worden sein. Aber wenn sie nie dort angekommen war … Was hatte das zu bedeuten? Warum war sie nicht nach Wyldcliffe zurückgekehrt? Hatte sie nicht geschworen, uns zu helfen? Die Antworten auf all diese Fragen mussten doch irgendwo zu finden sein.
    Ich rannte den Flur hinunter, riss die Türen der Klassenzimmer auf, doch die Schule schien wie ausgestorben. Bei meiner Suche kam ich auch zum kleinen Musikzimmer, wo Mr Brooke einer hinter ihren dicken Brillengläsern ernst dreinblickenden, semmelblonden Elfjährigen Klavierunterricht gab. »Oh, Entschuldigung«, murmelte ich. Ich drehte mich um und flüchtete in Richtung Bibliothek. Vor der Eingangstür strich ich mir die Uniformjacke glatt und atmete tief durch. Dann ging ich hinein. Ein Grüppchen Achtzehnjähriger saß am Tisch, ganz in die vor ihnen ausgebreiteten Bücher vertieft.
    »Entschuldigt, dass ich euch störe, aber darf ich euch kurz mal was fragen?«
    Eine von ihnen blickte auf, offensichtlich leicht verblüfft. Ein ungeschriebenes Wyldcliffe-Gesetz verbot, von sich aus ein älteres Mädchen anzusprechen. Aber ich kannte Catherine Hedley flüchtig von zu Hause, wir hatten im Sommer in der gleichen Polomannschaft gespielt. »Catherine, du bist doch mit Miss Scratton nach St. Martin’s gefahren, oder?«
    »Ja, ich war dabei. Es war wirklich Pech.« Sie zeigte mir ihr dick bandagiertes Handgelenk. »Wegen des Unfalls kann ich mindestens zwei Wochen nicht reiten. Aber eigentlich bin ich froh, dass nicht noch mehr passiert ist. Warum willst du das wissen?«
    »Na ja … also, Miss Scratton war früher unsere Klassenlehrerin, und einige von uns haben sich überlegt … also, wir wollen ihr Blumen ins Krankenhaus schicken. Weißt du, in welche Abteilung sie eingeliefert worden ist? Hast du gesehen, wie sie dorthin gebracht wurde? Welchen Eindruck machte sie? War sie schwer verletzt?«
    »Ich weiß es wirklich nicht«, antwortete Catherine, »ich kann mich nur noch vage erinnern. Es war sehr lustig in St. Martin’s, danach fuhren wir zurück, alles schien okay. Ich erinnere mich, dass plötzlich ein riesiger Hirsch vor dem Minibus auftauchte. Ab dann weiß ich nichts mehr. Irgendwann bin ich mit Schmerzen im Handgelenk wieder aufgewacht, und der Minibus klebte an einem Baum.«
    »Und Miss Scratton?«
    »Miss Dalrymple sagte, dass sie schon ins Krankenhaus gebracht worden war. Die Oberste Mistress saß

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