Gillian Shields - Der Zauber der Steine
Agnes’ Tür: ›Höre auf die Trommeln‹. Ich könnte mich ohrfeigen, dass ich immer noch nicht herausgefunden habe, was das zu bedeuten hat. Aber Maria erscheint mir immer wieder. Vielleicht ist sie das Zeichen, das wir brauchen.«
Evie schien noch immer nicht überzeugt.
»Ich weiß, viel ist es nicht«, gab ich zu, »aber es ist alles, was wir haben. Vielleicht gibt es eine Verbindung zwischen der Nachricht an Agnes’ Tür, den Trommeln in Helens Traum und den Trommeln in meiner Vision von Maria. Vielleicht hat es etwas mit den Roma zu tun? Wir sollten noch mal Kontakt zu Maria aufnehmen. Wenn du den Talisman benutzt, dann könnten wir vielleicht eher herausfinden, ob sie wirklich hinter der Nachricht an der Tür steckt und was sie zu bedeuten hat.«
»Du hast also Trommeln gehört, als dir Maria erschienen ist?«
»Ja. Und ich bin überzeugt, dass sie etwas weiß, das uns helfen könnte. Bitte, Evie, versuchen wir es noch mal. Wir haben nichts zu verlieren, und vielleicht bringt es uns weiter.«
»Einverstanden. Heute Nacht.« Evies Gesicht war gefasst und zu allem entschlossen, wie das eines jungen Soldaten. »Für dich und Helen werde ich alles tun. Ich werde euch nicht noch einmal im Stich lassen, versprochen.«
Zweiundzwanzig
D er Tag schleppte sich dahin. Ich konnte an nichts anderes als an den Talisman denken, aber vor Mitternacht konnten wir uns nicht aus dem Schlafsaal schleichen. Erst dann waren wir vor den wachsamen Augen der Lehrerinnen und unserer Mitschülerinnen geschützt. Die einzige Abwechslung vom monotonen Schulalltag waren die Kinder aus dem Dorf, die Miss Scrattons Einladung gefolgt waren. Einige spielten Tennis, andere bekamen Musikunterricht, und wieder andere durften den noch ziemlich kalten Pool benutzen. Hier war Evie als Aufsicht eingeteilt, und ich wollte ihr dabei helfen. Ich hatte schon befürchtet, dass Miss Scrattons Pläne platzen würden, aber trotz ihrer Abwesenheit schien alles nach ihren Ideen abzulaufen. Statt zum stundenplanmäßigen naturwissenschaftlichen Unterricht gingen Evie und ich nach dem Mittagessen hinunter zum Freischwimmbecken. Die Sportlehrerin Miss Schofield wirkte heute noch missgelaunter als sonst. Sie stand vor etwa einem Dutzend begeisterter Zehnjähriger, die bei ihrem Anblick allerdings doch ein wenig besorgt aussahen.
»Nun, ich denke, ihr zieht euch jetzt um. Aber bitte diszipliniert! Ihr habt exakt zwei Minuten.«
Die Kinder verschwanden in den altmodischen hölzernen Umkleidekabinen neben dem Pool. Auch ich betrat eines der Holzhäuschen, zog meine Schuluniform aus und den Badeanzug an. Die Luft war zwar warm, aber das Wasser im tiefen Marmorbecken machte einen ziemlich kalten Eindruck. Evie dagegen war glücklich, endlich von unseren Problemen abgelenkt zu werden. Sie war eine richtige Wasserratte und würde bei jedem Wetter schwimmen gehen, aber in den kalten Monaten wurde das Wasser abgelassen. Endlich war es soweit. Die meisten Kinder waren schüchtern und kicherten verlegen, einige der größeren Jungs dagegen waren ziemlich forsch und versuchten, sich gegenseitig ins Wasser zu schubsen.
»Schluss damit!«, bellte Miss Schofield. »Geht langsam und vorsichtig ins Wasser, genau nach meinen Anweisungen.« Sie tat sich mit den Neuerungen in Wyldcliffe offensichtlich schwer, und das gefiel mir. Ich hatte diese unfreundliche Frau noch nie gemocht, und alles, was sie ärgerte, war ganz in meinem Sinn. Meine Motivation stieg.
»Oh, ist das kalt«, sagte ein zartes Mädchen mit zerzaustem Haar, als sie ihren großen Zeh vorsichtig ins Wasser gestreckt hatte.
»Wenn du erst einmal drin bist, merkst du es nicht mehr«, ermunterte ich sie.
»Es ist fantastisch, glaub mir«, Evie lächelte sie an, »und es ist schön, dass ihr da seid. Wir werden viel Spaß haben.«
Miss Schofield blickte finster drein, während wir den Kindern nach und nach ins Wasser halfen. Es gab lautes Gekreisch und wildes Geplansche, aber schon bald hatten alle großen Spaß. Ungeachtet ihrer abweisenden, arroganten Art war Miss Schofield eine gute Lehrerin. Sie ging mit den Schwimmern ins tiefere Wasser, um ihnen Schwimmtechniken beizubringen. Evie und ich blieben mit den anderen im Nichtschwimmerbereich, spielten Ball und versuchten, ihnen die Angst vor dem Wasser zu nehmen. Die Zeit verflog im Nu, und schon bald mussten die Kinder wieder aus dem Wasser. »Aber wir sind noch gar nicht getaucht«, sagte ein kräftiger Junge, »ich kann das schon.«
»Zeig mal«,
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